Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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die Verordnungen jener früheren ständischen Zeit, sondern eine — 
wenn auch vorübergehende — Wiederherstellung der unbeschränkten 
Macht erschienen. Aus diesem Grunde lässt auch Art. 106 Preuss. 
Verf. die Rechtsgiltigkeit gehörig verkündeter königlicher Verord- 
nungen nicht von den Behörden, welche inzwischen sämmtlich 
landesherrlich geworden waren und als solche zur Unterstützung 
der Machtäusserung der Landesregierung berufen erschienen, 
sondern allein vom Landtage (den „Kammern“) prüfen. 
Sind die Gerichte zu diesen „Behörden“ zu zählen, so wäre 
die herrschende Meinung (ARNDT, Verfassungsurkunde, zu Art. 106, 
Urtheil des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 
bei Dr. STÖLZEL 9. 29, vom 13. November 1869) im Rechte, dass 
solche Verordnungen, auch wenn sie den Gesetzen widersprechen, 
die Verfassung aufheben, die Unabhängigkeit der Gerichte von 
anderer Autorität wie der des Gesetzes einschränken, die Ge- 
richte binden. 
Allerdings sind Gerichte im gewöhnlichen Sinne „Behörden“, 
d. h. staatliche Dienststellen (LAranp 8 86 II). Indessen ist 
nicht abzusehen, zu welchem Zwecke Art. 86 Preuss. Verf. die 
($erichte allein — nicht auch andere Behörden — ausschliesslich 
dem Gesetz unterstellte, wenn sie im Art. 106 — wie andere 
Behörden — einer anderen Autorität, nämlich derjenigen gehörig 
verkündeter königlicher Verordnungen, welche die gesammte Un- 
abhängigkeit der Gerichte in Frage stellen können, untergeordnet 
würden. Ihre Unabhängigkeit würde damit ein völliger Schein 
geworden sein, die Verfassung sich selbst widersprochen, die aus- 
führende Gewalt sich an die Stelle der richterlichen Gewalt ge- 
setzt haben. Der praktische Inhalt des Art. 86 Preuss. Verf. 
würde dann der sein: 
„Die richterliche Gewalt wird, solange nicht durch gehörig 
verkündete königliche Verordnung etwas Anderes bestimmt ist, 
im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Auto- 
rität als der des Gesetzes unterworfene, Gerichte ausgeübt“, 
oder noch kürzer: 
„Die richterliche Gewalt wird nach Massgabe königlicher, 
gehörig verkündeter Verordnungen ausgeübt.“
	        
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