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Desshalb spricht sich auch v."RöNnNnE, Preuss. Staatsrecht
Bd. I S. 165, wenigstens in der Theorie, dagegen aus.
Die Gerichte sind in ihrer eigentlichen Thätigkeit zum Ent-
scheiden, zum Urteilen, nicht zum Gehorchen und Ausführen be-
rufen, gleich der Wissenschaft und ihrer Lehre, können also,
wenn sie dieser eigentlichen Thätigkeit erhalten bleiben sollen,
unmöglich Kundgebungen einer Gewalt unterworfen sein, welche,
gleichviel ob berechtigt oder unberechtigt, von ihrem Standpunkt,
den Gerichten nicht nur das Feld ihrer Thätigkeit anweist, son-
dern auch den Weg vorschreibt, und die Mittel, auf dem und
mit denen sie diese Thätigkeit auszuüben haben, m. a. W. der
ausführenden, statt der gesetzgebenden Gewalt; la Justice rend
des arröts, mais pas de services.
Wären aber auch die Preussischen Gerichte nach Art. 106
Preuss. Verf. nicht allein dem Gesetze, sondern auch den Noth-
gesetzen des Art. 63 unterworfen gewesen, so sind sie es wenig-
stens jetzt nicht mehr, auf Grund des $ 1 R.-G.-V.-G.
Ohne Zweifel (Art. 2 R.-Verf.) beseitigt dieses Gesetz alle
etwa entgegenstehenden Bestimmungen Preussischer Gesetze, auch
der Preussischen Verfassung.
Würde der 8 1 R.-G.-V.-G. statt:
„Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem
Gesetze unterworfene Gerichte ausgeübt“,
bestimmt haben:
„Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem
Gesetz und verfassungsmässig erlassenen und verkündeten bundes-
staatlichen Verordnungen unterworfene, Gerichte ausgeübt“,
so wäre kein Zweifel möglich an der Absicht der Worte dieser
Gesetzesstelle; dies ist aber nicht geschehen.
Der Gesetzgeber kann die Verordnungen nur deshalb nicht
erwähnt haben, weil er ihre Erwähnung für überflüssig gehalten
hat, als selbstverständlich unter dem Wort „Gesetz“ mitbegriffen,
oder weil er sie von den Gesetzen hat unterschieden wissen, die
(rerichte ihnen nicht hat unterstellen wollen.
Für unter dem Wort „Gesetz“ mitbegriffen kann er sie nicht
angesehen haben, denn die Reichsgesetzgebung kennt Verord-