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manches starke Fragezeichen beizufügen. Zuzugestehen ist ihm der grosse
freie Blick, die sachkundige Beherrschung des gesammten hier zur Uebersicht
sich darbietenden Fragenkreises. Es entgeht ihm kaum eine ernstliche dog-
matische Komplikation, kaum eine erustlich noch in Betracht kommende
litterarische Erscheinung mit Ausnahme der moderneren französischen, für
die die regelmässige Anführung PrADIErR-FopEreE's kein genügendes Surrogat
bildet. In der Charakterisirung der Völkerrechtsfähigkeit zeigt sich ein
gewisses Schwanken besonders auch nach der Richtung der allgemeinen
Menschenrechte, und wenn sich auch HEILBORN hier nicht im Ausdruck zur
Anerkennung meines „Völkerrechtsindigenats“ verstehen will, so werde ich
gegebenenfalls gerade aus seinen Erörterungen mannigfache Erhärtungen
und Stützpunkte für die an bekannte Begriffe und funktionelle Erscheinungen
des Rechtslebens anknüpfende Theorie mit leichter Mühe gewinnen. Im
Uebrigen zeigt .sich auch hier die von van ÜALKER! mit Recht für die ge-
sammte Politik als Staatslehre bezeichnete Unsicherheit der Lage, bei der es
noch keineswegs ausser Zweifel steht, welche Fragen denn überhaupt zu
untersuchen und darzustellen sind. Eine Schwierigkeit, die freilich um so
grösser werden wird, je mehr wissenschaftliche Autoren, wie der von uns be-
handelte, es als ihre Pflicht erachten, an keiner gehaltvollen Gestaltung des
wirklichen Lebens achtlos vorüberzugehen. Hier liegt die Brücke, die uns
von HeıLBorn’s Versuchen, die Grenzlinien eines Systems des Völker-
rechts zu ermitteln, zum weitern Problem führt, das uns durch H. ©. Len-
MANN s Schrift, „Die Systematik der Wissenschaften und die Stellung der
Jurisprudenz“? aufs Neue als eine auf der Tagesordnung unserer juristischen
Gesammtarbeit stehende dringende Aufgabe bezeichnet worden ist. — Die
vorstehenden allgemeinen Streiflichter mögen an dieser Stelle genügen, um
die Vielseitigkeit und den wissenschaftlichen Ernst des HeıLBorn’schen Buches
erkennen zu lassen. Die Auseinandersetzung im Detail bleibt jedem Berufs-
arbeiter vorbehalten, der in der nächsten Periode des fachlichen Wirkens
zu dem gehaltvollen Werke Stellung nehmen muss. Stoerk,
C. A. Ackermann, Geh. Polizeirath, Polizei und Polizeimoral nach
den Grundsätzen des Rechtsstaates. Stuttgart, Ferdinand
Enke, 1896. 83 8. gr. 8 M. 1.60.
Nachdem der Verfasser Einiges über den Begriff Rechtsstaat gesagt
hat, geht er dazu über, von einer grossen Zahl von Schriftstellern zu be-
richten, die sich in der einen oder anderen Weise über Wesen und Aufgabe
der Polizei geäussert haben. Sodann entwickelt er eine Begriffsbestimmung,
ı S, FRITZ van CALKER, Politik als Wissenschaft. Strassburger
Festrede. 1898. Verlag: Heitz in Strassburg. 8. 7f.
? Marburger Rektoratsrede 1897, Verlag: Elwert, Marburg.