Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

— 94 
nur gelten in den einzelnen Bundesstaaten verschiedene Gesinde- 
gesetze sondern auch in den verschiedenen Theilen der grösseren 
Bundesstaaten bestehen auf diesem Gebiete lediglich für den 
engeren Verwaltungsbezirk geltende Gesetze und Verordnungen 
und selbst der grösste Bundesstaat, Preussen, hat sich zu dem 
Erlass eines für den ganzen Bereich seines Gebietes gültigen 
Gesinderechts noch nicht veranlasst gesehen. Der Eindruck, 
welchen dieses zerstreute Gesetzesmaterial auf den unbefangenen 
und vorurtheilsfreien Kritiker macht, ist keineswegs ein erfreu- 
licher, unwillkürlich muss er an die Versteinerungen denken, 
welche die Natur uns getreu aufbewahrt. Von dem Geiste des 
modernen Rechts, von der Anschauung, welche das heutige Ar- 
beits- und Dienstrecht beherrscht, ist darin keine Spur zu finden, 
vielmehr ist es der Niederschlag der Rechtsüberzeugung einer 
vergangenen, theilweise schon weit hinter uns liegenden, längst 
überwundenen Zeit, der in den betreffenden Vorschriften ver- 
körpert erscheint. Zu den Bestimmungen des Bürgerlichen Ge- 
setzbuchs über den Arbeits- und Dienstvertrag steht dieses Recht 
in denkbar schärfstem Gegensatze, und wer das eine mit dem 
andern vergleicht, könnte auf die Vermuthung kommen, dass es 
sich um die Gesetzgebung zweier um ein Jahrhundert von ein- 
ander getrennter Epochen der Rechtsentwicklung handelt. Wäh- 
rend nach dem ersten Entwurfe des Einführungsgesetzes lediglich 
diejenigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch be- 
züglich des Gesindes zur Anwendung kommen sollten, welche sich 
auf die Geschäftsfähigkeit, die Haftung für das Verschulden der 
Gehülfen, die Maximaldauer des Dienstvertrags, die Haftpflicht 
für unerlaubte Handlungen und die Einwilligung des Ehemanns 
zu einem Rechtsgeschäfte beziehen, durch das die Ehefrau zu 
einer in Person zu bewirkenden Leistung sich verpflichtet, hat 
der Kreis der anwendbaren Normen bei der endgültigen Redak- 
tion desselben eine Erweiterung dahin erfahren, dass auch die 
wichtigsten Vorschriften des Gesetzbuchs über die Schutzfürsorge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.