106
inneren Rechtfertigung nicht entbehrte, ist längst verschwunden,
selbst in Gebieten, welche den Charakter des älteren W irthschafts-
lebens getreuer bewahrten, existirt sie nicht mehr; wenn trotzdem
der Gesetzgeber die alten Strafbestimmungen und den polizeilichen
Erfüllungszwang auf dem Gebiete des Gesinderechts noch aufrecht
erhält so beweist dies, dass er aus den wirthschaftlichen Vor-
gängen und den Veränderungen des Wirthschaftslebens die ent-
sprechenden Konsequenzen noch nicht gezogen hat. Es lässt
sich mit Nichten behaupten, dass für die unterschiedliche Be-
handlung der gewerblichen Arbeiter einerseits der Dienstboten
anderseits in Ansehung dieses Punktes besondere aus der
Natur des Dienstbotenverhältnisses sich ergebende Gründe
geltend gemacht werden könnten. Selbst wenn man die von
Loenına“* aufgestellte Behauptung als richtig anerkennen wollte,
dass da, wo es sich nicht blos um generisch bestimmte sondern
um zeitlich individualisirte Leistungen handle, eine nachträgliche
Erfüllung des Vertrags ganz oder theilweise unmöglich sei und
dieserhalb die von den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags-
rechts abweichende Ordnung berechtigt erscheine würde sich
gleichwohl die Poenalisirung des Vertragsbruchs des Gesindes
nicht vertheidigen lassen; es ist nicht einzusehen, dass
die Arbeitsleistung des häuslichen und landwirthschaftlichen
Dienstboten in rechtlicher Hinsicht anders beschaffen ist
als die des Hauslehrers, Erziehers, des Privatbeamten und der
Repräsentantin deren Vertragsbruch zu bestrafen doch von keiner
Seite empfohlen wird mag immerhin jene auch als eine minder
entbehrliche zu bezeichnen sein als die Arbeitsleistung dieser.
Indesser ist diese ganze Argumentation LoENING’s keine zu-
treffende wie STEINBACH® in durchaus überzeugender Weise dar-
thut; es kann nicht zugegeben werden, dass es sich bei dem
Arbeitsvertrag namentlich für den Arbeitgeber um zeitlich indi-
* Handwörterbuch der Staatswissenschaften I S. 754.
5 Rechtsgeschäfte der wirthschaftlichen Organisation $. 128, 129.