Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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durch das Bedürfniss verlangt, anzuerkennen habe. Hiernach 
würde sich das in Art. 95 enthaltene Verbot auf die Gesammt- 
heit aller Gesindeordnungen in Deutschland beziehen. Indessen 
lässt sich dieser Auffassung nicht beitreten; ein Züchtigungsrecht 
hat nur da bestanden, wo die Gesetzgebung dasselbe mittelbar 
oder unmittelbar der Dienstherrschaft eingeräumt hat. Auch 
mittelbar kann diese abnorme Befugniss gewährt werden, was 
von denjenigen übersehen wird, welche mit JASTROW verneinen, 
dass in der angeführten Vorschrift der altpreussischen Gesinde- 
ordnung ein solches Recht zur Anerkennung gelangt sei. Wenn 
der Gesetzgeber ausspricht, dass eine unter gewissen Voraus- 
setzungen — Affekt der Dienstherrschaft — verübte Thätlichkeit 
nicht als strafbare Handlung gelte und den von ihr Betroffenen 
nicht dazu berechtige den Schutz des Staates zur Wahrung 
seiner Person anzurufen und die entsprechende Bestrafung des 
Thäters in Gemässheit des allgemeinen Gesetzes zu verlangen 
so ist hierdurch mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass dem 
Thäter die Züchtigungsbefugniss zusteht. Der praktischen Wirkung 
nach ist die Rechtslage vollständig die gleiche wie dann wenn 
der Gesetzgeber unmittelbar ausspricht, dass dem Dienstherrn 
ein Recht dieses Inhaltes eingeräumt sei in dem einen wie in 
dem anderen Falle kann der Dienstbote, welcher gezüchtigt wird, 
diese Handlung nicht der gerichtlichen Beurtheilung unter dem 
Gesichtspunkte der Beleidigung oder der leichten Körperverletzung 
unterziehen lassen. Ist dies richtig dann wird der in Rede 
stehende Artikel der altpreussischen Gesindeordnung mit dem 
Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches seine Gültigkeit ver- 
lieren; die Dienstherrschaft kann dann nicht mehr auf Straflosig- 
keit rechnen wenn sie im Zorne den Dienstboten beleidigt oder 
misshandelt soweit und sofern nicht nach den Bestimmungen des 
Strafgesetzbuchs ihr Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, 
welche die Straflosigkeit begründen. Der Zweck des Art. 95 
geht dahin jedes Züchtigungsrecht der Dienstherrschaft zu be-
	        
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