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Gegen diesen Gesetzentwurf wurde von Seiten der Schaum-
burg-Lippischen Staatsregierung bei der Lippischen Staats-
regierung protestirtt — hauptsächlich wegen der mitgetheilten
Paragraphen — und als dieser Protest Seitens der Letzteren
abgelehnt worden war, unter Berufung auf Art. 76 Abs.1 R.-V.
der Bundesrath angerufen.
Hierauf beschloss der Bundesrath auf Antrag des Referenten,
Königl. Sächsischen Bevollmächtigten zum Bundesrath Grafen
von Hohenthal, mit allen Stimmen gegen die Stimme des Fürsten-
thumes Lippe:
„Der Bundesrath wolle an die Fürstlich Lippische Re-
gierung das Ersuchen richten, zu veranlassen, dass vor der
Beschlussfassung des Bundesraths über den Antrag Schaum-
burg-Lippe, der Berathung des dem Lippischen Landtage vor-
liegenden Gesetzentwurfs, betr. Thronfolge und Regentschaft
ım Fürstenthum Lippe, kein Fortgang gegeben werde.“
Diese Vorgänge geben zu einer Reihe von staatsrechtlichen
Fragen Veranlassung.
1. Kann die Landesgesetzgebung des Fürstenthumes Lippe die
Thronfolge ohne Zustimmung oder gegen den Willen der
Agnaten des Lippischen Gesammthauses regeln?
Die Mehrzahl der heutigen Theoretiker ist der Ansicht, dass
die ältere Auffassung, wonach eine Abänderung der über die
Succession bestehenden Grundsätze nur mit Zustimmung aller
Agnaten überhaupt möglich sei, insoweit dadurch wohlerworbene
Rechte berührt werden, für das heutige Staatsrecht nicht mehr
zutreffend sei, da die Rechte der Agnaten keine Privatrechte
seien, dass daher auf dem Wege der Verfassungsgesetzgebung
Abänderungen der Thronfolgeordnung ohne jede Mitwirkung der
Agnaten vorgenommen werden könnten',
1 So BoRNHAK, Preussisches Staatsrecht, Bd. IS. 84; JELLINER, System
der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 141; von KırRcHEnHEIM, Lehrhuch des