Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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gebung entrückteu psychologischen Prozess“ (S. 30), um daraus seine Folge- 
rungen zu ziehen. 
Er verkennt nicht, dass das Recht der öffentlichen Verbände „den 
geradezu klassischen Boden bildet für die Entstehung von Gewohnheitsrecht“ 
(S. 35). Er gibt auch zu, dass der von mir vorgebrachte Erklärungsgrund 
an sich richtig sei, dass nämlich die staatlichen Behörden hier „eine der 
des Civilrichters verwandte Stellung haben, indem sie beauftragt sind, das 
Recht so zu handhaben, wie es sich zwischen den Betheiligten als thatsäch- 
lich eingehaltene Uebung herausgebildet hat“ (S.43). Auf diesen Beob- 
achtungen hatte ich nun meinerseits weiter gebaut. Warum ist die Uebung 
Rechtsquelle? Doch nur, weil der Amtsauftrag der öffentlichen Gewalt die 
Behörde darauf verweist, wie dies schon von RümELım in Jahrb. f. Dogm. 
Bd. 27 S. 204 ff. sehr schön auseinandergetzt wurde. Alle Lehrmeinungen, 
welche die Geltung des Gewohnheitsrechts auf eine staatliche Anerkennung 
oder Gestattung zurückführen, haben in dem nämlichen Gedanken ihren ge- 
sunden Kern. Schliesslich ist ja auch die Geltung des Gesetzesrechts nur 
auf diese Weise zu erklären: Recht ist jede Regel für äusseres Verhalten, 
für deren Aufrechterhaltung die öffentliche Gewalt eintritt. Daraus ergibt 
sich aber weiter, dass eine Bildung von Gewohnheitsrecht in der Verwal- 
tung, über das Verbandsrecht hinaus, nur dann denkbar wäre, wenn eine 
gleiche bindende Verweisung der Behörden auf zu handhabende Regeln der 
Uebung auch hier stillschweigend bestünde. Ich habe dargethan, dass es 
nicht der Fall ist, einfach schon desshalb nicht, weil es für die Verwaltung 
eine innere Nothwendigkeit, durch Rechtssätze gebunden zu sein — jenen 
„Heisshunger nach Rechtssätzen“, wie man ihn der Justiz nachgesagt hat — 
nicht gibt. Wo eine gesetzliche Grundlage verlangt wird zu Eingriffen in 
Freiheit und Eigenthum und ebenso wo umgekehrt die Behörden vom Ge- 
setz angewiesen sind, nach freiem Ermessen der Nützlichkeit und Zweck- 
mässigkeit den Einzelfall zu ordnen, wäre ein stellvertretendes Gewohnheits- 
recht geradezu widersinnig. Auf diese Weise erhält die Thatsache, dass wir 
nur im Verbandsrecht der Gewohnheit als wirksamer Rechtsquelle begegnen, 
ihre wissenschaftliche Begründung. 
Die Widerlegung, welche der Verf. mir widmet, beachtet zunächst 
den Hauptpunkt gar nicht. Für die wesentlich verschiedene Stellung zur 
Rechtsordnung, welche die Verwaltung und die Justiz einnimmt, ist die 
„Psychologische Thatsache* unempfindlich. Dass sie neben den gesetz- 
lichen Ermächtigungen „Lücken“ ausfüllen kann, gilt als selbstverständ- 
lich. Und wo der Gesetzgeber freies Ermessen gewährt, geschieht es nach 
der Ansicht des Verf. bloss desshalb, weil dieser selbst „eine entsprechende 
Norm nicht findet“; er muss dankbar sein, wenn die Verwaltungsbehörde 
— geschickter als er — im Wege des Gewohnheitsrechts eine solche 
herausbilden hilft (S. 42). Uns scheint das die verkehrte Welt zu wer- 
den. Doch kommt nichts dabei heraus, mit solch unklaren und unfertigen
	        
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