Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

— 159 — 
Nicht um Auslegung des vom Gesetzgeber gewählten Ausdrucks 
handelt es sich, sondern um Ersetzung des vom Gesetzgeber 
irrthümlich kundgegebenen, nicht gewollten Ausdrucks durch den 
wirklich gewollten Ausdruck, um eine Texteskritik im weiteren 
Sinne. Die Frage der Behandlung der Redaktionsversehen muss 
durchaus selbständig als eine quaestio sui generis geprüft werden. 
Als abwegig ist es nun zu bezeichnen, wenn man den publi- 
zirten Gesetzestext schlechthin als massgebend hinstellen und 
jede Kritik ihm gegenüber ausschliessen will. Konsequent durch- 
geführt würde dieser Grundsatz dazu führen, dass auch das durch 
Druckfehler völlig widersinnig gewordene Gesetz zur Anwendung 
gebracht werden müsste, und in der That scheinen einige Ver- 
treter der bezeichneten Ansicht auch diese äusserste Konsequenz 
ziehen zu wollen. So sagt JoHnn in Holtzendorfi’s Handbuch 
des Strafrechts Bd. III S. 74ff.: „Der Richter ist überhaupt 
nicht befugt, die Gesetze zu korrigiren. Er hat den Willen 
des Gesetzgebers, sowie derselbe durch die Publikation zum 
Ausdrucke gelangt ist, in Anwendung zu bringen... Auch 
dem ungereimten Gesetze gegenüber hat der Richter die Pflicht, 
dasselbe anzuwenden“; und HErFFTER in Goltdammer’s Archiv 
Bd. IS. 31ff.: „Sind bei der Verkündigung die wirklichen Be- 
schlüsse der legislativen Organe unvollständig oder unrichtig mit- 
getheilt, so wird ein etwaiges Versehen durch eine nachträgliche 
korrektere Publikation der wirklichen Beschlüsse zu verbessern 
. sein. Inzwischen aber wird das verkündete Gesetz, wie es 
lautet, dennoch zu befolgen sein“!*, Es erscheint überflüssig zu 
zeigen, zu welchen Resultaten die unbedingte und kritiklose An- 
wendung selbst des durch Druckfehler entstellten Gesetzestextes 
führen würde; schwerlich wird sich ein Richter finden, der einer 
16 Auch Vangerow (Pand. I $ 23 N. 1) hält „bei neueren Gesetzen, 
welche noch in, unter öffentlicher Autorität veranstalteten, Abdrücken vor- 
handen sind“, jede Texteskritik für ausgeschlossen; vgl. dagegen v. Savıenz, 
System I S. 243; DERNBURe, Pand. I $ 85 N. 1.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.