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SEYDEL sagt: „Bei allen zwischenstaatlichen Verträgen prüfen
die Bevollmächtigten gegenseitig ihre Legitimation; darin liegt
doch nicht eine maassgebende Prüfung des Rechts des Vollmacht-
gebers auf seine Krone.“
Das ist gewiss richtig. Aber es passt doch nicht für vor-
liegende Frage. Man vergegenwärtige sich doch nur, wie sich
die thatsächlichen Verhältnisse bei dem Zustandekommen von
„zwischenstaatlichen Verträgen“ gestalten. Zwei oder mehrere
Staatsregierungen wünschen einen Vertrag miteinander abzu-
schliessen, sie sind desshalb inVerhandlungen getreten. Nun kommen
die Bevollmächtigten zum Vertragsabschluss zusammen. In der
Idee sind es die betreffenden Staatsregierungen, die zusammen-
kommen. Aus praktischen Gründen geschieht dies nicht, sondern
es erscheinen nur Bevollmächtigte, welche sich durch irgend etwas
als Vertreter ihrer Staatsregierungen ausweisen müssen, nämlich
durch ihre Vollmacht. Wechselseitig überzeugt man sich, dass
die erschienenen Personen wirklich die Bevollmächtigten der be-
treffenden, schon vorher in Hinsicht auf den zu schliessenden Vertrag
unterhandelt habenden Staatsregierungen sind. In dieser Prüfung
der Vollmacht liegt der Natur der Sache nach keine Prüfung
des Rechts des Vollmachtgebers auf seinen Thron, darin hat
SEYDEI vollkommen Recht. SEYDEL übersieht aber, dass dann,
wenn die Bevollmächtigten zusammenkommen, das Recht der be-
treffenden Vollmachtgeber auf ihre Kronen Seitens der anderen
vertragschliessenden Staaten schon dadurch anerkannt ist, dass
man miteinander vorher als mit Monarchen oder Regenten über
einen zu schliessenden Vertrag unterhandelt hat. Ueber das
Recht der Vollmachtgeber auf ihre Throne ein Prüfungsrecht
auszuüben, können also die Bevollmächtigten nie in die Lage
kommen.
Auch bilden die zum Abschluss von zwischenstaatlichen Ver-
trägen zusammenkommenden Bevollmächtigten doch kein Kol-
legium wie der Bundesrath.