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„Alle historische Betrachtungen — so werthvoll sie an und
für sich sein mögen — sind für die Dogmatik eines konkreten
Rechtsstoffes ohne Belang und dienen nur zu häufig dazu, den
Mangel an konstruktiver Arbeit zu verhüllen“ ?.
„Es kann doch nicht als ein wissenschaftliches Erforderniss
angesehen werden, jede juristische Erörterung mit den Volks-
rechten oder der Germania des Tacitus oder gar mit den Zwölf-
tafelgesetzen zu beginnen, um dem Vorwurf des geschichtslosen
Anfanges zu entgehen“ ?,
Hatte die Unmöglichkeit, auf dem Boden der apriorischen
Vernunftrechtssysteme zu einer Lösung der akuten praktischen
Fragen des Staatslebens zu gelangen, zu der Abwendung vom
reinen Denken und zu der Betrachtung der historischen Quellen
des Bestehenden geführt, so führt die Ueberfluthung mit histori-
schen Details, deren Kenntniss zwar zum vollen Verständniss
mit nothwendig ist, aber doch keine Antwort auf präzise Rechts-
fragen bot und nur den „Mangel an konstruktiver Arbeit“ ver-
hüllte, wieder zu einer Zuwendung zu den politischen Problemen
des Staatslebens, und die Wissenschaft vom Staate schlug jene
historisch-politische Methode ein, die ohne dogmatische Grund-
legung die politische, subjektive Auffassung des Autors mit nach
seinem Bedürfniss herbeigezogenen historischen Reminiszenzen
verbrämte und „oberflächliche Zweckmässigkeitserwägungen und
aus dem Zusammenhang gerissene historische Notizen für staats-
rechtliche Untersuchungen ausgab“.
So unbefriedigend diese Epoche der .Staatswissenschaft uns
heute erscheint, so war sie doch eine nothwendige Stufe der
3 Vorrede zur zweiten Auflage des Staatsrechtes des deutschen Reiches
8. XI.
® Staaterecht Bd.I S. 9. Vgl. Lines, Die staatsrechtliche Stellung der
im BReichsrathe vertretenen Königreiche und Länder der österr.-ungarischen
Monarchie (Prager Jurist. Vierteljabresschr. Bd. VIII 8. 129 £.).
* Lasanp, Vorrede zur zweiten Auflage des Staatsrechtes des deutschen
Reiches S. XL.