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Entwicklung. Politische Erwägungen und politische Noth hatten
dazu geführt, das Arcanum für die trostlose Gegenwart bei der
Vernunft zu suchen. Aber es führte keine Brücke von der Idee
zur realen Welt, und so suchte man die Erkenntniss des Be-
stehenden aus der Art, wie es geworden. Aber die Auf-
zählung, wie es geworden, führte noch immer nicht zur Erkennt-
niss dessen, was ist, und so suchte man zu dieser Erkenntniss
zu gelangen, indem man dem, wodurch es geworden, nach-
spürte, dem movens agens der Entwicklung, und nachdem sich
dieses in der Vergangenheit nur schwer oder auch gar nicht
aufspüren liess, so wandte sich die Staatswissenschaft wieder der
Gegenwart, „den das Staatsleben formenden und bewegenden
Kräften“®, den politischen Parteien, deren Bestrebungen und
Streit zu.
In diesem Zustande befand sich die Staatswissenschaft, als
ihr LABAnD’s bahnbrechendes Genie die juristische Methode auf-
zwang: LABAND hatte den Scharfblick und den Muth, sich von
der historischen Methode, die bis dahin und bei Manchen noch
heute als die wissenschaftlich allein seligmachende gilt, zu emanzi-
piren und — die Rechtsgeschichte auf ihr eigentliches Gebiet
verweisend — aus der Staatswissenschaft die Staatsrechts-
wissenschaft herauszulösen. Seit LABAND weiss die Staatsrechts-
wissenschaft, dass ihre Aufgabe ist, das, was ist, losgelöst
von dem, was war und was angeblich oder wirklich sein
soll, analysirend zu erfassen, begrifflich zum Bewusst-
Bein zu bringen und systematisch darzustellen.
Es ist bekannt, in welch’ glänzender Weise es LABAND ge-
lungen ist, nicht blos für das Gebiet des Deutschen Reiches und
des deutschen Reichsrechtes diese Aufgabe zu erfüllen, sondern
auch der ganzen Staatsrechtswissenschaft die Richtung zu geben,
und wenn die LaBanp’sche juristische Methode nicht überall
5 Zorn im Arch. f. öffentl. Recht Bd. X 8. 253.
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