14 Das Reich kein Bund, sondern ein Staat.
nämlich um einen Zusatz zu Artikel 4, handle und daß es im
Sinne des Antrages Miquel nur erforderlich sei, in der Der-
fassung der legalen Möglichkeit der Verfassungsänderung klaren
Ausdruck zu geben. Diese Fassung erhielt dann der Antrag
Migquel und wurde nach seiner mit großer Mehrheit erfolgten
Annah#me gewissermaßen als Schlußstein und Krönung des ganzen
Verfassungsgebäudes an den Schluß des ganzen Werkes als
Art. 78 Absatz 11) gesetzt.
8 18. Die Schranken der Reichssouveränität.
Demgemäß kann also die Verfassung geändert werden, auch
durch Erweiterung der die Suständigkeit des Reiches betreffenden
Vorschriften, und für solche Anderung ist nur eine Erschwerung
des gesetzgeberischen Dorganges dahin bestimmt, daß eine erhöh#te
Mebrheit der Stimmen im Bundesrate vorgeschrieben ist. Sachlich
aber bestehtt keinerlei Schranke für Derfassungsänderung; es kann
somit den Guständigkeiten der lô Siffern des Art. 4 noch jede
andere Guständigkeit hinzugefügt werden auf dem in Art. 78
bezeichneten Wege der Derfassungsänderung, und dies ist wieder-
holt geschehen, in der einschneidendsten und weittragendsten
Weise dadurch, daß durch Derfassungsänderungsgesetz vom
24. Dezembar 1875 in der Ziffer 13 des Artikel 4 statt der
Worte „des Obligationenrechtes“ die Worte „des gesamten
bürgerliches Rechtes“ gesetzt wurden, die die Grundlage des
gewaltigsten Gesetzgebungswerkes des Zeiches, des Bürgerlichen
Gesetzbuches für das Deutsche Reich, bilden.
Die unge#eure Tragweite des in Art. 78 Abs. 1 gegebenen
Rechtsgrundsatzes liegt auf der HBand, und die Erkenntnis da-
von ist in der Literatur meh#r und mehr durchgedrungen, so daß
Reute die Schriftsteller in der Kauptsache dahin einig geworden
sind: daß Art. 78 Abs. 1 das entscheidende Moment ist
für die Souveränität und Staatsnatur des Keiches.
Wer in der Lage ist, durch seinen Willen in entscheidender
Weise einen anderen Willen zu bestimmen, der beherrscht diesen
letzteren Willen; in der RZechtsmacht des Reiches über seine SZu-
ständigkeit, wie sie jene Derfassungsvorschrift feststellt, liegt die
1) „Deränderungen der Derfassung erfolgen im Wege der Gesetz-
gebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Zundesrate ## Stimmen
gegen sich haben.“