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Rechtsgeschichte und kann es nicht sein, weil die geschichtliche
Forschung unbefangen und voraussetzungslos, das ist ohne die
Absicht, in ihnen etwas bestimmtes finden zu wollen, an die
Quellen herantreten muss, wenn sie dieselben richtig würdigen
soll. Gewiss ist es möglich, dass ein und derselbe Forscher,
der die historischen Quellen zu erschliessen und zu verwerthen
weiss, im Gefolge auch den begrifflichen Zusammenhang zu er-
fassen und so nicht etwa blos eine Geschichte der Entwicklung
der Thatsachen, sondern auch eine Darstellung der Begriffs-
entwicklung zu liefern vermag, und wenn wir oben nicht ver-
schwiegen haben, dass der Historismus GIERKE’s der einen und
der dringlichsten Aufgabe der Staatsrechtswissenschaft — wenn
auch Dank LABAann ohne Erfolg — im Wege gestanden ist, so
sei um so williger der unvergleichlichen Verdienste gedacht, die
sich GIERKE um die Förderung dieser anderen Aufgabe erworben
hat. Aber festgehalten sei, dass der Einblick in die Entwick-
lungsgeschichte der Begriffe, wie sie im Laufe der Entwicklung
der Thatsachen verwirklicht wurden, eine dogmatisirende, keine
historische Arbeit ist, ebenso wie festgehalten werden muss, dass
die Darstellung der Begrifisentwicklung noch keine Darstellung
eines konkreten positiven Staatsrechtes ist, und dass die letztere
ebensowenig jedesmal die erstere mitenthalten muss, als sie etwa
stets bei Tacitus oder den zwölf Tafeln einzusetzen hat.
Auch die Politik kann entweder konkrete politische Par-
teien, ihre Bestrebungen und den staatsrechtlichen Inhalt der-
selben zum Gegenstand ihrer Analyse machen, oder darüber
hinaus die „konstanten Formen“ aufsuchen, welche sich „bei der
Gleichheit der Anlage der Kulturvölker und der Gleichheit der
staatlichen Ziele“ auch bei den politischen Parteien der ver-
schiedenen Staaten ergeben. Aber ‘auch die begriffliche Erfas-
sung des Vorstellungsinhaltes gewesener Parteien gehört mit zu
den Aufgaben der Politik, und nicht minder die Erfassung des
gegenseitigen Verhältnisses und der Entwicklung der Vorstel-