Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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zistische Theorie in Betracht kommt. Dieses Uebel aber ist die 
mangelhafte Ausgestaltung des Völkerrechtes oder richtiger noch 
der absolute Mangel eines „Völkerrechtes“ im eigentlichen begriff- 
lichen Sinne dieses Wortes. Um diesen Punkt also darf sich die 
Wissenschaft von jetzt ab nicht mehr mit der bisherigen Scheu 
herumdrücken; sie hat jetzt offen Farbe zu bekennen, ob das 
„bestehende ÖOrganisationswerk der Staatengesellschaft“ wirklich 
als ein völkerrechtlicher Mechanismus anzusehen oder dieser Aus- 
druck dafür nicht angebracht ist? 
Diese Frage ist neulich in einer kleinen Schrift über „Hohe 
Politik von B. O. T. ScHAFTErR!, welche sich streng auf den 
„Standpunkt der praktischen Diplomatie“ stellen will, aber doch 
einen gleichsam unwillkürlichen Nothschrei der Praxis nach einer 
besseren, rationelleren Ausgestaltung der Theorie enthält, mit 
einer Entschiedenheit verneint worden, gegen welche sich bei 
gründlicher und vorurtheilsfreier Erwägung der einschlägigen 
Fragen kaum etwas wird einwenden lassen. 
Bei einer derartigen Erwägung wird man, um wieder mit 
STOERK zu reden, „in das urewige Gebiet der juristischen Ter- 
minologie geführt, ohne die wir doch bei keiner auch noch so 
geringfügigen oder schicksalsschweren rechtlichen Ordnung eines 
Problems auskommen können“, Die Terminologie kennt einen 
allgemein feststehenden Begriff des „Rechtes“, nämlich das 
„bürgerliche“ oder „staatliche“ Recht, d. h. den Inbegriff der- 
jenigen Normen, mittelst deren sich die Gesellschaft der einzelnen 
Individuen zum souveränen Staate zusammenschliesst. Es gibt 
also ganz bestimmte wesentliche Merkmale, welche dieser Zu- 
sammenschluss aufweisen muss, wenn er den Anforderungen der 
modernen Kulturentwickelung voll entsprechen soll: es handelt 
sich hierbei einerseits um die Konstituirung einer souveränen 
Staatsgewalt, welche als die Personifikation der Rechtsidee den 
» Hohe Politik, kritische Randbemerkungen zum internationalen Leben 
der Gegenwart. Berlin, Hermann Walther, 1898.
	        
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