Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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überhaupt die Mühe nimmt, eine grundlegende Theorie zu for- 
muliren — ist also nicht die direkte Negirung des Rechtes, nicht 
die systematisirte Widerrechtlichkeit; er will auch nicht einen 
Naturzustand aufthun, der, gleichviel ob er jemals wirklich be- 
standen hat oder nur begrifflich zu konstruiren ist, grundsätzlich 
die Willkür eines Jeden den Anderen gegenüber statuirt: er 
strebt vielmehr auch seinerseits eine Vergesellschaftung an, die 
‚unter Umständen äusserlich ganz denselben Eindruck machen 
kann, als ob sie auf einer rationellen Ordnung beruhe, bis sich 
dann die volle Haltlosigkeit des Ganzen einmal herrlich offenbart; 
und diese Theorie ist es, welche noch gegenwärtig das inter- 
nationale Leben, als solches, beherrscht; nur dadurch wird das 
in jedem Handbuche des „Völkerrechtes“ nachzulesende Paradoxon 
begreiflich, dass der Krieg ein Institut des „Völkerrechtes“ sei, 
gerade so wie jeder anarchistische Gewaltakt als Exekutive gegen 
Unrecht oder Rechtsbruch dargestellt wird, — während freilich 
bei der Zweiseitigkeit jedes Krieges die Ironie darum noch viel 
grösser wird, weil hier jeder der Kriegführenden sich als „Exe- 
kutivorgan des verletzten Völkerrechtes“ aufspielt — und dass 
man des Weiteren von einem „jus belli@ spricht, d. h. einem Be- 
griffe, durch welchen gewisse Gepflogenheiten der Kriegführung 
„sanktionirt“ werden, sowie man bei einer etwaigen Fortbildung 
der anarchistischen Theorie jede Propaganda der That wahr- 
scheinlich auch nur dann als zulässig ansehen würde, wenn dabei 
gewisse vornehme, philanthbropische Alluren gewahrt werden. 
Erwägt man nun, ob man diese Art von „internationaler Ord- 
nung“ als eine Aeusserung des „Rechtsbegriffes“ wird bezeichnen 
dürfen, so ist die Entscheidung darüber zunächst Geschmacksache. 
So verfehlt, wie man namentlich von Seiten der Idealisten und 
Vernunftrechtler glauben machen will, ist diese Terminologie ent- 
schieden nicht. Es hat eines Jahrtausende langen Entwickelungs- 
ganges bedurft, ehe die Kulturwelt nur bis zu diesem Stand- 
punkte in der Auffassung des internationalen Lebens gelangt ist;
	        
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