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weilen phänomenale Beschränktheit der gegen diese Kundgebungen
gerichteten Angriffe verschuldet hat.
Betrachtet man das Ganze nun unter dem soeben angedeuteten
Gesichtspunkte und erwägt man also demgemäss zunächst, ob
für das internationale Leben eine Legislative denkbar ist, so wird
man dies verneinen müssen, wenigstens in dem Sinne, dass es
niemals eine Instanz geben kann, welche über den einzelnen
Staatsgewalten so steht, wie jede der letzteren über den einzelnen
Rechtssubjekten, und die von ihrem höheren Standpunkte aus
den Völkern eine bestimmte Gesellschaftsordnung vorzuschreiben
hätte; wohl aber ist ein Analogon zur Legislative des bürger-
lichen Rechtes für das Staatengesellschaftsrecht denkbar, näm-
lich die Feststellung einer bestimmten Rechtsordnung durch den
übereinstimmenden freien Willen aller Betheiligten, durch die
jede Majorisirung des Einzelnen ausschliessende: volonte de tous,
im Gegensatze zur volont& generale, die dem Einzelnen seine freie
Entschliessungsfähigkeit unter Umständen beschränken kann. Es
ist also denkbar, durch absolute Uebereinstimmung Aller die
Sphäre jedes Einzelnen — in thatsächlicher und ideeller Hin-
sicht — derjenigen der anderen gegenüber abzugrenzen und auf
diese Weise ein allgemeines „materielles Recht“ zu schaffen,
welches dann wie alles andere Recht, als „Gewohnheitsrecht®;
d. h. als Ergebniss der historischen politischen Entwickelung und
andererseits — dem (resetzesrechte der staatlichen Gesellschaft
entsprechend — als „vertragsmässig gesetztes“ internationales
Becht erscheint. Das letztere präsentirt sich darnach, praktisch
gesprochen, in dem jeweiligen status quo — in der weitesten und
umfassendsten Bedeutung dieses Wortes — der nicht nur die
Konfiguration der Ländergebiete, sondern auch die Abgrenzung
aller unmittelbaren und mittelbaren, materiellen und ideellen inter-
nationalen Interessen in sich begreift. Weitere Ausführungen
dieses Punktes erübrigen sich einfach darum, weil ja, wie aus
allem oben Gesagten hervorgeht, schon die jetzt bestehende