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Staatengesellschaft, wenigstens in der Idee, eine auf der gedachten
gewohnheitsmässigen und vertragsmässigen Basis ruhende Ord-
nung anerkennt.
Was den zweiten Punkt, die Frage nach der Judikatur an-
betrifft, so ist es mit dem Wesen der Souveränetät durchaus ver-
einbar, wiederum mittelst Vertrages einen Gerichtshof zu konsti-
tuiren, welcher die nach menschlichem Ermessen denkbar grösste
Vermuthung absoluter Unparteilichkeit für sich und, bei etwaiger
Meinungsverschiedenheit der Interessenten, die Bedeutung des
status quo im vorhergedachten Sinne, für den einzelnen konkreten
Fall authentisch zu deklariren hat. Als Streitfall gelten hier-
bei also nicht „hochpolitische internationale Fragen“, welche da-
durch entstehen, dass der Eine, sei es offen, sei es versteckt, sei
es bewusst, sei es unbewusst, darauf ausgeht, den status quo zu
seinen Gunsten und zum Nachtheile der Anderen zu verschieben,
sondern ausschliesslich „internationale Rechtsstreitigkeiten“, welche
sich daraus ergeben, dass jede der Parteien den status quo grund-
sätzlich anerkennt, aber über die Bedeutung desselben für den
konkreten Fall von der anderen abweicht. Es ist durchaus
denkbar, dass ein souveräner Staat, gerade so wie das einzelne
Individuum, in einem bestimmten Augenblicke etwas will und
späterhin die logischen Konsequenzen des von ihm Gewollten
falsch beurtheilt, und es tangirt den „freien Willen“, als solchen,
schlechterdings garnicht, von einem Dritten vorurtheilsfrei fest-
stellen zu lassen, was sich aus dem Gewollten für die praktische
Ausgestaltung der Dinge unter bestimmten thatsächlichen Vor-
aussetzungen ergibt. Mit der angedeuteten begrifflichen Schei-
dung der „hochpolitischen Fragen und der „internationalen
Rechtsstreitigkeiten“ wird gleichzeitig eine Frage gelöst, welche
den Leuten bisher so unendlich viel Kopfzerbrechen verursacht,
weil sie bisher kaum jemals richtig gestellt worden ist, nämlich
die Frage: welche internationalen Differenzen sich zu einer ge-
richtlichen Entscheidung eignen, und welche nicht? Man hat in