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einem Revolutionär über den Haufen geworfen werden kann,
wenn dieser — die Macht dazu hat. Der Werth gesellschaft-
licher Institutionen, welcher Art sie auch immer sein mögen,
liegt also nicht in der auf alle Fälle undenkbaren, absoluten
Garantie ihres praktischen Erfolges, sondern darin, dass sie aus
psychologischen Gründen die denkbar grösste Wahrscheinlichkeit
bieten, von dem Empfinden und Verständnisse der Gesellschafter
getragen und aufrecht erhalten zu werden. Die Wirksamkeit
eines „Völkerrechtes“ ohne Konstituirung einer Exekutivinstanz
könnte getrost dem völker- und staatenpsychologischen Momente
überlassen bleiben, das sich geltend machen würde, wenn es einen
von der Gesammtheit oder einer grossen Zahl der Kulturstaaten
anerkannten Staatengerichtshof gäbe, der auf Ansuchen eines
unter ihnen im Falle des Streites mit einem andern das geltende
Recht des status quo feststellt; und es würde sich ergeben, dass
dieses „Völkerrecht“ wahrscheinlich seine Zwecke ebenso gut
oder noch besser erfüllen würde, wie das staatliche Recht kraft
seiner „Exekutive“ die seinigen.
Zum Vierten endlich versagt die Analogie des staatlichen
Rechtes für das internationale: im Punkte der Ewigkeit. In
dieser Hinsicht hat sich die vernunftrechtliche Schule in ein ge-
radezu tragisches Missverständniss verwickelt; sie hat für das
Staatengesellschaftsrecht, wo gar nicht daran zu denken ist, mit
dem Brusttone der Ueberzeugung die Eigenschaft der grundsätz-
lichen Ewigkeit in Anspruch genommen, während es bezüglich
des staatlichen Rechtes, das sich naturgemäss als prinzipiell
„ewig“ qualifizirt, Niemanden, wie oben schon gesagt, einfällt,
davon besonderes Aufheben zu machen. Das Stichwort vom
„ewigen Völkerfrieden“ ist also nicht nur schlecht gewählt, weil
es die Menschen, die ganz genau wissen, dass Nichts auf Erden
ewig sein kann, und gerade genug an den „ewigen“ Friedensschlüssen
der Diplomatie haben, instinktiv vor allen darauf gerichteten Be-
strebungen abschreckt, sondern es ist auch grundfalsch: der