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jede der vertragstreuen Parteien an der damit nothwendig ge-
wordenen Reaktion gegen die vertragsbrüchige Partei zu bethei-
ligen habe. In diesem Falle würde es sich also auch wieder
um einen Krieg handeln, der hier vielleicht wirklich als ein
„Rechtsinstitut“ gelten könnte, weil es in diesem Falle ganz un-
zweifelhaft wäre, auf welcher Seite das formelle Recht liegt, was
unter den annoch bestehenden internationalen Verhältnissen eben
nicht zu konstatiren ist.
Dadurch könnte man nun freilich wieder versucht sein, zu
behaupten, dass damit schliesslich doch nichts Anderes, als die
Statuirung einer Exekutivinstanz gegeben sei, welche eben als
unzulässig bezeichnet wurde; allein das trifft schon darum nicht
zu, weil eine Exekutive begrifflich gar keine andere Aufgabe
haben kann, als die, das verletzte Recht wieder einzurenken,
nicht aber darüber hinauszugehen, während der Einsatz, um den
Kriege geführt werden, sich nie und nimmer a priori genau: be-
stimmen lässt, und schliesslich bei allen, auch solchen Kriegen,
die um geringfügiger Ursachen willen unternommen werden, die
ganze Existenz des Einzelnen auf dem Spiele steht. Ein Kultur-
staat, der sich so sehr gegen die Macht der Rechtsidee versün-
digen würde, dass er die Durchführung seines höchst subjektiven
Beliebens nicht einmal bis nach dem Ablaufe des Grundvertrages
aufzuschieben vermöchte .. . hätte in der That seine Existenz-
berechtigung verwirkt; im Uebrigen aber könnte man sicher sein,
dass jeder Staatengrundvertrag auf das Peinlichste von allen
Kontrahenten gehalten werden würde; vorausgesetzt, dass seine
Geltung auf eine angemessene kurze Zeit beschränkt wäre, inner-
halb deren eine wesentliche Verschiebung der allgemeinen Welt-
lage ausgeschlossen erscheint. Die moderne Diplomatie hat in
dieser Hinsicht schon die erheblichsten Fortschritte ohnehin ge-
macht; bezüglich solcher Punkte, denen eine besondere Wichtig-
keit beigemessen wird, fällt es den Staaten heutzutage nicht mehr
ein, „ewige Abmachungen® zu trefien: man begnügt sich mit