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immer ein Zeitpunkt ein, mit welchem das Kind erwachen, also
statt der bisherigen 10 fortan 20 cbm Raumgehalts benöthigt
wird. Mit diesem Augenblicke wird die bisher ausreichende
Wohnung unzureichend. Das Gleiche geschieht durch Zugeburt
von Kindern, in der Einzahl oder gar in der Mehrzahl. Und
weil aus der gesetzlichen Unterstützungspflicht die Verbindlichkeit
zur Aufnahme eines hilfsbedürftigen Familiengliedes in aufstei-
gender oder in der Nebenlinie in den eigenen Hausstand noth-
wendig werden kann, so vermag auch hierdurch die Bewohnbar-
keit innehabender Miethsgelasse nachtheilig beeinflusst zu werden.
Der Vermiether hat es nicht in der Hand, diese auf dem Natur-
gesetz oder dem Staatsgesetz beruhenden Zustände zu verhindern.
Ja er kann nicht einmal nach heut geltendem und dem Rechte
des Bürgerlichen Gresetzbuches die Entfernung solcher Personen
herbeiführen, welche in Familienbeziehungen zu dem Miether
stehend besuchsweise sich bei demselben aufhalten und erst recht
nicht derjenigen, welchen er in seinem Hausstande Unterhalt zu
gewähren verpflichtet ist. Würde ihn die Strafe des $ 79 treffen
sollen, weil die Miethsgelasse überfüllt sind, dann würde er für etwas
bestraft, was er gar nicht verschuldet hat, mithin ein Rechts-
zustand geschaffen, welcher zu der allgemein anerkannten Rechts-
regel in Widerspruch tritt, dass die Strafe die Sühne der Schuld
sein soll. Aber auch gegen den Miether die Strafe zu verhängen,
würde sich nur schwer rechtfertigen lassen, weil sie im Widerspruch
zu den Gesetzen der Natur und zu dem Grundgesetze eines wohl-
geordneten Staatswesens steht, dass die Ehe eine sittlich und recht-
lich gebilligte Einrichtung, aber als Ausfluss derselben die Zeugung
von Kindern anzuerkennen sei. In Folge dessen ist die Straf-
folge des $ 79 unbedingt für die Bewohnbarkeit des $ 58 aus-
zuschliessen.
Im Einverständnisse mit dem kgl. Bezirksarzte soll die
Polizeibehörde nach Befinden die Leerstellung von Wohnungen
anordnen dürfen, welche den Bestimmungen über Raum- und
Lichtgehalt nicht genügen. Es wird ihr also nicht zur Pflicht
gemacht, vielmehr ihr nur die Befugniss beigelegt, solches zu
thun oder zu unterlassen, je nachdem sie es für geboten oder