Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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entbehrlich erachtet. Hierdurch ist zwar eine Milderung der 
Strenge der Rechtsregel erreichbar, wenn für jeden einzelnen 
Fall die zutreffenden begleitenden Umstände in Erwägung gezogen 
und ihnen gebührende Rechnung getragen wird. Doch muss es 
als eine bedenkliche Vorschrift gelten, dass dem arbiträren Er- 
messen der Polizei eine Machtbefugniss beigelegt und ihr eine 
Entscheidung anvertraut wird, welche tief in das Privatrecht 
eingreift und zu einer Rechtsungleichheit führen kann, ohne dass 
es ein Rechtsmittel giebt, eine nicht völlig gerechtfertigte Leer- 
stellung ausser Kraft zu setzen, sowie deren schädigende Folgen 
zu heben. Man versetze sich in die Lage, ein Familienvater sei 
ausser Stande, einen grösseren Bruchtheil seines Einkommens für 
Wohnungsmiethe auszugeben, ohne gleichzeitig seinen zahlreichen 
Familiengliedern den Lebensunterhalt zu verkümmern, es sei für 
den aufwendbaren Miethszins aber eine den Anforderungen des 
8 58 entsprechende Wohnung überhaupt nicht erlangbar, so muss 
als Folge der erzwungenen Leerstellung, d. h. seiner Entsetzung 
aus den unzureichenden Miethsgelassen sich herausstellen, dass 
er entweder zwar den erforderlichen Raumgehalt seinen Kindern 
verschafft, aber gleichzeitig ihnen die benöthigte Nahrung entzieht, 
oder dass, weil er seine Kinder nicht hungern sehen will, er mit 
denselben obdachlos wird, in jedem Falle aber aus dem Regen 
unter die Traufe kommt. Dies ist eine theoretische Annahme, 
welche Aussicht auf praktische Bewährung nicht finden werde, 
dürfte vielleicht eingewendet werden. Die Arbeiterwohlfahrt be- 
dingt gesunde ausreichende Wohnungen. Und dieser gemeinnützige 
Zweck heiligt die Mittel, so dass die Möglichkeit ausgeschlossen 
erscheint, dass in dem Streben nach dem Guten das Bessere 
verloren geht. Allein solchen Zweiflern gegenüber mag darauf 
hingewiesen werden, dass die im Interesse der Arbeiterwohlfahrt 
erlassene Arbeiterversicherung aus gleichen Ursachen ähnliche 
unzuträgliche Zustände bereits gezeitigt hat. Denn sie führte 
dahin, dass das Streben, die wirthschaftlichen Nachtheile einer 
verminderten Erwerbsfähigkeit auszugleichen, für den davon Be- 
troffenen der Grund zur Arbeitslosigkeit wurde, weil er eine 
Arbeitsgelegenheit nicht mehr erlangen konnte. Ein lehrreiches 
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