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Stelle getreten sei, und dass in diesem Artikel ganz ausschliess-
lich von den „Irrungen“ zwischen „der Regierung und den
Ständen“ die Rede ist.
Sie begründen diese Ansicht ferner mit dem Wortlaute des
Anfanges des Abs. 2 des Art. 76:
„ Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in
deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher
Streitigkeiten bestimmt ist... .“, indem sie aus diesem Wort-
laute schliessen, es könnten nur derartige Verfassungsstreitig-
keiten gemeint sein, wie solche, wenn auch nicht in allen, so
doch in einigen Bundesstaaten einem besonderen Staatsgerichts-
hof zur Entscheidung überwiesen sind.
Zu den von einem solchen Staatsgerichtshof zu entscheiden-
den Streitigkeiten gehörten aber Thronstreitigkeiten grundsätzlich
nicht und thatsächlich nirgends.
Sie stützen ihre Ansicht endlich darauf, dass aus der Fassung
des Art. 76 Abs. 2 hervorgehe, dass unter den Verfassungs-
streitigkeiten im Sinne dieses Artikels nur Streitigkeiten zwischen
zwei von Anfang an feststehenden Theilen zu verstehen seien,
und dass es sich bei Thronstreitigkeiten um eine Entscheidung
zwischen mehr als zwei Prätendenten handeln könne.
Diese und andere Gründe, wesshalb Art. 76 Abs. 2 keine
Anwendung auf Thronfolgestreitigkeiten soll finden können, sind
in zwei Rechtsgutachten von LABAnD (der Schaumburg-Lippe-
schen Staatsregierung erstattet; d. d. Strassburg, 24. Juli 1895)
und REuLına (Rechtsgutachten betreffend die derzeitige Rechts-
lage der sog. Lippischen Thronfolgestreitigkeiten, d. d. Berlin,
den 6. Februar 1896) besonders scharf betont.
Ich muss gestehen, dass alle diese Gegenausführungen mich
nicht haben überzeugen können.
Ich meine, dass man sich an den einfachen Wortsinn halten
muss. Der einfache Wortsinn führt aber unbedingt dazu, unter
„Verfassungsstreitigkeiten“ alle Streitigkeiten zwischen den ge-