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welche nicht leicht auseinanderzuhalten sind. Und doch, wenn
man das Gebiet der internationalen Rechtsnormen näher um-
schreiben will, muss man wohl ein Unterscheidungsmerkmal
zwischen den genannten Verhältnissen ausfindig machen. Damit
ist seit Jahrhunderten die Wissenschaft beschäftigt, ohne dass
es ihr bis jetzt gelungen ist, den Knäuel abzuwickeln. Meines
Erachtens hat dies seinen Grund darin, dass man das inter-
nationale Privatrecht, dem nationalen Privatrecht gegenüber, als
eine auswärtige fremde Masse betrachtet hat, und dass man von
dem Gedanken ausgegangen ist, dass jedes privatrechtliche Ver-
hältniss, an sich, entweder ein nationales oder ein internationales
sein müsse,
Eine alte, vielverbreitete Meinung sieht in den international-
privatrechtlichen Verhältnissen Verhältnisse zwischen Gesetzen,
und mit dieser Auffassung muss in erster Linie Abrechnung ge-
halten werden.
Bekannt ist, dass man in verschiedenen Rechtssystemen
räumliche Verhältnisse zwischen Gesetzen neben zeitlichen Ver-
hältnissen zwischen Gesetzen gestellt und die Normirung dieser
räumlichen Verhältnisse dem internationalen Privatrecht als einziges
Ziel zugewiesen hat. Wenn dies richtig wäre, so müsste es
ganz einfach sein, genau national-privatrechtliche und international-
privatrechtliche Verhältnisse zu unterscheiden; erstere wären dann
Verhältnisse zwischen Personen des Privatrechts, letztere Ver-
hältnisse zwischen Gesetzen. Prüft man aber die Sache näher,
so erscheint der Ausgangspunkt fehlerhaft und die Folgerung
ganz unannehmbar.
Wenn es zwischen Gesetzen zeitliche Verhältnisse gibt, so
hat dies seinen Ursprung in der Thatsache, dass diese Gesetze
Erklärungen derselben gesetzgebenden Gewalt sind, und also, dem
Richter gegenüber, wenn sie denselben Rechtsstoff normiren, eine
alternative Rechtskraft haben müssen. Zwischen Gesetzen ver-
schiedener Staaten besteht kein durch die Art der Gesetze be-