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der Oentralgewalt über die Anwendbarkeit der mehreren Parti-
kularrechte im Verhältniss zu einander, (ist) letzlich selbst nichts
Anderes als eine materiell-privatrechtliche Bestimmung in ab-
gekürzter Form“!!. Warum kann nun dieser Lehrsatz nicht
etwas ausgedehnt werden? Dagegen sträubt sich nur die Be-
griffsbestimmung des internationalen Privatrechts, denn das inter-
lokale Privatrecht ist schliesslich nichts Anderes als ein allgemein-
menschliches Privatrecht in einem Verband, das eine bereits
organisirte Uentralgewalt besitzt. Die Staatengesammtheit
kann für die Rechtsgesellschaft des menschlichen (#eschlechts
gerade dasjenige thun, was die Centralgewalt eines engeren Ver-
bandes für den interlokalen Verkehr zu thun vermag.
III.
Aus der meiner Ansicht nach richtigen Auffassung des
Wesens des internationalen Privatrechts erhellt auch die Grund-
lage dieses Rechts. Diese ist nicht die Rechtsgemeinschaft der
Kulturnationen, deren Begriff wir dem mächtigen Geiste Savıany’s
verdanken, sie ist noch breiter und wurzelt noch tiefer, es ist
die Rechtsgemeinschaft des menschlichen Geschlechts. Wirklich-
keit und Ideal zugleich, — Wirklichkeit, weil sie das Mark der
historischen Kultur ist, und Ideal, weil sie die höchste Stufe
dieser Kultur für alle Zeiten darstellt. Diese Rechtsgemeinschaft
ist kein Zukunftstraum, sie ist so alt wie die Welt, jedenfalls so
alt wie der Weltverkehr. Dies zeigt uns der ganze Lauf der
Geschichte des internationalen Privatrechts, von den altrömischen
Arbeiten des Gaius und Ulpianus an, mit ihren Vorschriften über
die jura perigrinorum, welche im späteren, wirklich Weltrecht
gewordenen Römischen Recht verschwunden sind, bis zu den
italienischen, französischen, niederländischen, deutschen und anglo-
amerikanischen Arbeiten der letzten sieben Jahrhunderte. In
118, 403.