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ad a. Bei der weiteren Fassung, welche wir dem Problem
geben, wird endlich die Wissenschaft des internationalen Privat-
rechts aufhören, ein Sammelkasten innerer Widersprüche zu sein.
Die Lehre kann den unglücklichen Mechanismus der alten
Statutenkollisionen vermeiden, und zwar ohne Verkennung des
hohen Werthes der früheren wissenschaftlichen Arbeiten, ebenso
wie man älteren Weltumseglern huldigt, wenn man die Klippen
vermeidet, auf welchen sie Schiffbruch erlitten haben. Auf dem
von uns beschrittenen Wege wird zuerst das internationale
Privatrecht von den Grundlagen des Völkerrechts frei. Mögen
philosophische Schulen das Völkerrecht auf eine natürliche
Rechtsgemeinschaft der Staaten gründen; positivistische Auf-
fassungen dagegen ohne ausdrückliche oder stillschweigende
Willenserklärungen der Kulturstaaten kein Völkerrecht erkennen;
endlich gemischte Lehren mehr oder weniger klare Kompromisse
vortragen: mit allen diesen Meinungsverschiedenheiten hat das
internationale Privatrecht nichts zu schaffen. Es ruht fest auf
einer nicht ohne Blindheit zu leugnenden, mit der höchsten Auf-
fassung göttlicher Weltanordnungen zusammenhängenden Rechts-
gemeinschaft des menschlichen Geschlechts, dessen Mitglied jeder
Mensch ist, nur weil er Mensch ist. Das Verhältniss zwischen
internationalem Privatrecht und Völkerrecht kann auf die ein-
fache Wahrheit zurückgeführt werden, dass das Völkerrecht dem
internationalen Privatrecht ein Kodifikationsmittel schenkt, den
Vertrag, als Surrogat für Weltgesetze.
Auch mit der meiner Ansicht nach veralteten Auffassung,
welche im internationalen Privatrecht nur Zuständigkeitsnormen
für Gesetze sehen will, hat die Wissenschaft des allgemein-
menschlichen Privatrechts endlich abgerechnet. Das Aufsuchen
primärer, aus der Natur der Gesetze fliessender Zuständigkeits-
normen kann aufgegeben werden, denn es gibt nur abgeleitete
Zuständigkeitsnormen, als eine mögliche Form der internationalen
Rechtsvorschriften, und diese Zuständigkeitsnormen finden :ihre