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Das Gesammtresultat ist demnach, dass die in dem ganzen
Art. 76 enthaltenen Bestimmungen, wenn es sich um Thron-
streitigkeiten handelt, sich dahin zusammenfassen lassen:
1. Streiten mehrere Bundesglieder um die Thronfolge in einem
Bundesstaate, so gelangt Abs.1 des Art.76 zur Anwendung.
2. Streiten die gesetzgebenden Faktoren in einem Bundes-
staate um die Thronfolge, so gelangt Abs. 2 des Art. 76
zur Anwendung. Auch Agnaten können nach dem Ver-
fassungsrecht gesetzgebende Faktoren sein.
Man wird zugeben müssen, dass bei dieser Interpretation
des ganzen Art. 76 auch am Besten dem Umstande Rech-
nung getragen wird, dass Art. 76 doch offenbar ein zusammen-
hängendes Ganze bildet, oder sollte man es als einen blossen
Zufall anzusehen haben, dass Abs. 1 und Abs. 2 in einem Ar-
tikel vereinigt worden sind ?
Die wichtige praktische Folge des Unterschiedes, ob Abs. 1
oder Abs. 2 des Art. 76 anwendbar ist, ist aber die, dass im
ersteren Falle der Bundesrath ohne den Apparat der Reichs-
gesetzgebung in Bewegung zu setzen, die Erledigung bewirken
kann, während er im letzteren Falle, wenn der gütliche Aus-
gleich nicht gelingt, den Weg der Erledigung durch die Reichs-
gesetzgebung beschreiten muss. Dass der Bundesrath, wenn er
wegen der zwischenstaatlichen Friedensbewahrung oder auf Grund
des Legitimationsprüfungsrechtes sich für zuständig anzusehen
hat, den Weg der Erledigung durch die Reichsgesetzgebung
nicht zu beschreiten braucht, ist hiernach und nach dem über
diesen Gegenstand bereits früher Gesagten selbstverständlich.
Wie steht es nun mit der Anwendbarkeit des Art. 76
Abs. 2 im Sinne der vorstehenden Ausführungen auf den Thron-
streit in Lippe ?
Es genügt hier, auf das oben Ausgeführte zu verweisen,
um zur Bejahung dieser Frage, falls ein Agnat, der nicht Bundes-
glied ist, den Bundesrath anruft, zu gelangen.