Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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E. Fünfte Ansicht. 
Thronstreitigkeiten ist der Bundesrath zu entscheiden im 
Allgemeinen überhaupt nicht zuständig, weder wegen der zwi- 
schenstaatlichen Friedensbewahrung, noch auf Grund des Legiti- 
mationsprüfungsrechtes, noch auf Grund des Art. 76 Abs. 1 — 
es sei denn, dass wirklich ein Streit zwischen verschiedenen 
Bundesstaaten vorliegt, letzteren Begriff strenge interpretirt —, 
noch endlich auf Grund des Art. 76 Abs. 2 — es sei denn, 
dass es sich um eine „Verfassungsstreitigkeit zwischen Regierung 
und Volksvertretung“ handelt —. 
Von den namhaften Autoren ist, soweit ich sehen kann, 
SEYDEL der einzige, der diese Ansicht vertritt ?®. 
Da meine ganzen vorstehenden Ausführungen den grössten 
Theil der Gründe bereits erkennen lassen, wesshalb ich SEYDEL 
hierin nicht zustimmen kann, so sollen nur noch einige Gesichts- 
punkte hervorgehoben werden. 
Die Stellung SeYDEL’s ergiebt sich mit nothwendiger Folge 
aus seiner Ansicht über das Wesen der Reichsverfassung. 
SEYDEL leugnet den Begriff des Bundesstaates überhaupt, und 
zwar aus logischen Gründen. Da nun das Deutsche Reich er- 
sichtlich ein zusammengesetzter Staat ist, so kann es für SEYDEL 
nur ein Staatenbund sein. „Für den Staatenbund gelten alle 
Konsequenzen des Vertragsbegrifis“?'. „Im Staatenbund be- 
schränken sich die Einzelstaaten vertragsmässig in Ausübung der 
Souveränetät zu Gunsten der Oentralgewalt“*?, Folgeweise umfasst 
im Bundesstaate die Rechtssphäre der Centralgewalt ganz aus- 
schliesslich dasjenige, worauf die Einzelstaaten vertragsmässig 
ganz ausdrücklich zu Gunsten der Centralgewalt verzichtet haben. 
Da nun in der Verfassungsurkunde für das Deutsche Reich nir- 
® Vgl. seine ganzen Ausführungen zu Art. 76 in seinem Kommentar 
und im Jahrbuch a. a. O. 
21 ZoRN a. a. O. Bd. IS. 70. 
2 Ebenda S. 72.
	        
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