Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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Es war dieselbe Staatsgewalt, welche vor und nach Einführung 
der Verfassung von 1818 die bayrischen Laandesgesetze sanktio- 
nirte; es sind zwei verschiedene Staatsgewalten, welche seit Ein- 
führung der Reichsverfassung die Reichsgesetze und die bayrischen 
Landesgesetze sanktioniren. 
Die weitere Behauptung von SEYDEL, durch Einführung der 
Reichsverfassung sei nicht die Souveränetät des Königs von 
Bayern aufgehoben, sondern nur die Ausübung dieser Souveränetät 
an gewisse Schranken gebunden worden, ist gleichfalls nicht 
stichhaltig. Der König von Bayern hat nicht blos, wie SEYDEL 
annimmt!!, die gemeinsame Ausübung des Rechts der Gesetz- 
gebung seinen Mitsouveränen eingeräumt, sondern das Recht 
der Gesetzgebung selbst auf bestimmten Gebieten an ein anderes 
Organ abgetreten. Von einer gemeinsamen Ausübung des Rechts 
der Gesetzgebung könnte doch nur dann die Rede sein, wenn 
der frühere Gesetzgeber einen wesentlichen Antheil an der 
Ausübung der Gesetzgebung behalten hätte, wenn er also die 
Sanktion, welche er einst allein ertheilte, nunmehr gemeinsam 
mit anderen Gesetzgebern zu ertheilen hätte. In Wirklichkeit 
ist die Mitwirkung des Königs von Bayern bei Erlass von 
Reichsgesetzen unerheblich. Es ist rechtlich ganz gleichgültig, 
ob der König von Bayern dem Entwurf eines Reichsgesetzes zu- 
stimmt oder widerspricht oder jede Erklärung über diesen Ent- 
wurf unterlässt; das Reichsgesetz kommt zu Stande auch ohne 
und gegen den Willen des Königs von Bayern, sofern sich nur 
eine genügende Majorität im Bundesrathe und Reichstag findet. 
Der König von Bayern kann die Erlassung eines Reichsgesetzes 
weder verhindern noch erzwingen. Seine Mitwirkung ist weder 
für die Feststellung des Gesetzesinhalts noch für die Sanktion 
noch für die Ausfertigung oder Verkündigung erforderlich. Es 
ist daher nur ein sophistisches Kunststück und ein leeres Spiel 
11 Spypet, Kommentar S. 5, 40—41. 
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