Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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gewesen, dass Oesterreich und die übrigen Glieder des ehemaligen 
Deutschen Bundes den preussischen Staat zu einer Handlung 
zwingen dürften. 
Eine weitere Schwierigkeit für SEYDEL’s Theorie bietet die 
rechtliche Stellung des Reichsfiskus. Wenn das Reich kein Staat 
ist, so kann auch kein Reichsfiskus als selbständiges Vermögens- 
subjekt existiren, denn Reich und Reichsfiskus sind nur ver- 
schiedene Namen für dasselbe Rechtssubjekt. Wenn das Reich 
ein völkerrechtlicher Verein von 25 souveränen Staaten ist, so 
kann der Reichsfiskus auch nur eine civilrechtliche Gesellschaft 
von 25 verschiedenen Gesellschaftern sein. In Wirklichkeit nun 
führt der Reichsfiskus als selbständiges Rechtssubjekt eine sehr 
reale Existenz. Der Reichsfiskus ist Eigenthümer von zahllosen 
beweglichen und unbeweglichen Sachen, von Postpalästen und 
Kasernen, von Schiffen und Eisenbahnen, von Pferden und 
Waffen, von Proviantvorräthen und von einem viele Millionen 
zählenden Kriegsschatz; auf keinen einzigen dieser Gegenstände 
finden die civilrechtlichen Grundsätze über Miteigenthum An- 
wendung. Der Reichsfiskus schliesst unzählige Kauf-, Mieth- 
und Darlehensverträge ab; aus keinem einzigen dieser Rechts- 
geschäfte werden die Einzelstaaten pro rata berechtigt oder ver- 
pflichtet. Der Reichsfiskus führt endlich zahlreiche Civil- und 
Strafprozesse, aus denen für die Einzelstaaten weder Rechte noch 
Pflichten erwachsen. An der Existenz des Reichsfiskus kann 
also ein Zweifel nicht bestehen; auch SEYDEL erkennt die Existenz 
desselben ausdrücklich an'!®, nur unterlässt er es, den Nachweis 
zu erbringen, durch welchen Akt der Landesgesetzgebung der 
gemeinsamen Kasse der 25 verbündeten deutschen Staaten die 
Rechte einer juristischen Person des Privatrechts beigelegt worden 
sind. Auf das Reichsgesetz vom 25. Mai 1873 kommt es im 
vorliegenden Falle nicht an. Schon vor Erlass dieses Gesetzes 
18 SeypEeL, Kommentar S. 383,
	        
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