— 342° —
Bierbesteuerung, der Militärverwaltung, des Post- und Telegraphen-
wesens, sowie des Eisenbahnwesens entzogen.
Weiter dürfte anzunehmen sein, dass jeder Bundesstaat
wenigstens ein durch Art. 78 Abs. 2 geschütztes Sonderrecht
besitzt, nämlich das Recht auf die durch Art. 6 der Reichs-
verfassung garantirte Stimmenzahl im Bundesrath. Art. 6 der
Reichsverfassung könnte also nur mit Zustimmung aller Bundes-
staaten abgeändert werden; ohne die Zustimmung sämmtlicher
Bundesstaaten wäre die Aufhebung des Art. 6 und damit die
Aufhebung der ganzen Reichsverfassung unmöglich.
Würde man jedoch annehmen, dass Art. 6 kein Sonderrecht
begründe, so wäre es doch eine Willkür ohne Gleichen, die
Existenz der Einzelstaaten von der Existenz der Sonderrechte
abhängig zu machen. Es ist der reine Zufall, dass Schaumburg-
Lippe ein Sonderrecht besitzt, Lippe-Detmold dagegen nicht, dass
Oldenburg das Privileg des Art. 78 Abs. 2 geniesst, während
Braunschweig und Mecklenburg-Schwerin nicht privilegirt sind ®®.
Weshalb soll die Höhe der Chaussee-Gelder darüber entscheiden,
ob die genannten Staaten von der Reichsgewalt enteignet werden
dürfen oder nicht? Die willkürliche Unterscheidung zwischen
Staaten mit Sonderrechten und Staaten ohne Sonderrechte würde
einem fundamentalen Prinzip der Reichsverfassung widersprechen,
dem Prinzip nämlich, dass alle Bundesstaaten gleiche Rechte und
gleiche Pflichten haben?”. Dieses Prinzip ist ausdrücklich an-
erkannt in Art. 58 der Reichsverfassung, welcher bestimmt, dass
„weder Bevorzugungen noch Prägravationen einzelner
Staaten grundsätzlich zulässig“ sind, sowie in Art. 70 der
Reichsverfassung, welcher vorschreibt, dass die Matrikularbeiträge
26 Hiner, Deutsches Staatsrecht Bd. I S. 624, 814.
27 Vgl. meine Abhandlung: Die staatsrechtliche Stellung von Elsass-
Lothringen 8. 63—54. Metz 1896; Lasanp, Deutsches Staatsrecht. 8. Aufl.
Bd. I S. 101—102; Zorn, Staatsrecht des Deutschen Reichs. 2. Aufl. Bd. I
S. 115; SeypeL, Kommentar $. 422.