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tischen und philosophischen Spekulationen, sondern auf sehr
nüchternen praktischen, finanziellen und historischen Gründen,
bei welchen weder die Totalität des Staatszwecks noch die Be-
schränktheit der kommunalen Zwecke irgend eine Rolle spielt.
Der Theorie von BrıeE fehlt also jeder Boden im positiven Recht.
Die weitere Behauptung von BrıE, der Bundesstaat solle
die Wirksamkeit seiner Gliedstaaten zur Erfüllung der Staats-
zwecke nur allseitig ergänzen, steht sogar in direktem Wider-
spruch mit dem positiven deutschen Staatsrecht. Das deutsche
Reich hat auf keinem einzigen Gebiet des Staatslebens eine
subsidiäre Aufgabe. Auf gewissen Gebieten schliesst das Reich
die Gliedstaaten vollständig aus’®; auf gewissen anderen Gebieten
(z. B. auf dem Gebiete der Reservatrechte) ist das Reich voll-
ständig ausgeschlossen; auf einem dritten Gebiet ist das Reich
neben den Gliedstaaten berechtigt, aber keineswegs subsidiär,
sondern principaliter, da die Reichgesetze nach Art. 2 der Reichs-
verfassung den Landesgesetzen vorgehen.
Auch die Theorie von BRıE gibt demnach keine befriedigende
Lösung der Streitfrage über den Unterschied von Staat und
Kommunalverband.
XI.
Um den Unterschied zwischen Staat und Kommunalverband
zu ermitteln, muss man ausgehen von dem gemeinsamen Gattungs-
begriff, unter welchen die Species „Staat“, „Provinz“ und „Ge-
meinde* in gleicher Weise fallen. Diese gemeinsamen Gattungs-
begriffe sind die Korporation des öffentlichen Rechts, die Korporation
im Allgemeinen und die juristische Person. Es ist hier nicht der
Ort, auf die bekannte civilrechtliche Streitfrage, ob die juristische
Person eine Fiktion oder eine Realität sei, einzugehen; die Er-
örterung dieser alten Kontroverse würde allein einen stattlichen
Band füllen. In der staatsrechtlichen Litteratur vertritt ins-
76 J,ABAND, Staatsrecht. 2. Aufl. Bd. IS. 98.