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oberste Korporation des öffentlichen Rechts auf ihrem Ge-
biet bilden — souveräne Staaten.
Zwischen souveränen und nicht souveränen Staaten bestehen
folgende Unterschiede:
1. Der souveräne Staat ist Niemandes Unterthan; der nicht
souveräne Staat ist Unterthan desjenigen Staates, von dem
er einen räumlich begrenzten Theil bildet.
2. Der souveräne Staat kann nur durch seinen eigenen Willen
verpflichtet werden; der nicht souveräne Staat kann ohne
und gegen seinen eigenen Willen verpflichtet werden durch
einseitigen Befehl des über ihm stehenden souveränen Ge-
sammtstaates. Diese Verpflichtbarkeit ist jedoch keine un-
begrenzte; sie findet ihre begriffliche Schranke an dem
Recht jedes Staates, über sein Gebiet, seine Verfassung und
sein Oberhaupt in letzter Instanz selbst zu bestimmen. Es
sind dies die ursprünglichen Rechte jedes Staates, deren
gewaltsame Verletzung z. B. in & 81 deutschen St.-G.-B. als
Hochverrath qualifizirt wird.
3. Der souveräne Staat hat alle Rechte, welche das Völker-
recht den Staaten beilegt; der nicht souveräne Staat hat
diejenigen Rechte nicht, welche ihm ausdrücklich entzogen
sind. Der souveräne Staat ist die unbeschränkt geschäfts-
fähige Person des Völkerrechts; der nicht souveräne Staat
ist die beschränkt geschäftsfähige Person des Völkerrechts.
Der Umfang der Geschäftsfähigkeit des nicht souveränen
Staats bestimmt sich nach dem Umfang der Herrschafts-
rechte, die er besitzt.
4. Der souveräne Staat kann alle völkerrechtlichen Pflichten,
die er übernommen hat, jeder Zeit einseitig aufheben, denn
jeder souveräne Staat hat das Recht der Kriegführung;
durch die Kriegserklärung aber werden alle völkerrechtlichen
Verträge zwischen den kriegführenden Staaten hinfällig.
Der nicht soureräne Staat kann die Pflichten, welche er