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dem souveränen Staate gegenüber hat, nicht einseitig auf-
heben, denn diese Pflichten beruhen nur theilweise auf
völkerrechtlichen Regeln, theilweise auch auf staatsrecht-
lichen Normen, deren Geltung von dem Willen des Ver-
pflichteten unabhängig ist. Die Kriegserklärung des souve-
ränen Staats ist erlaubte Selbsthülfe; die Kriegserklärung
des nicht souveränen Staats gegenüber seinem Souverän ist
verbotene Eigenmacht, Revolution und Hochverrath!
Hiernach ergibt sich folgendes Resultat: Der souveräne
Staat ist in keiner Beziehung der Herrschaft einer anderen Ge-
bietskörperschaft unterworfen; der nicht souveräne Staat ist in
gewissen Beziehungen der Herrschaft einer anderen Gebiets-
körperschaft unterworfen; der Kommunalverband ist in allen
Beziehungen der Herrschaft einer anderen Gebietskörperschaft
unterworfen. Dieses Verhältniss lässt sich auch umgekehrt aus-
drücken: Der souveräne Staat ist in allen Beziehungen von der
Herrschaft einer anderen Gebietskörperschaft befreit; der nicht
souveräne Staat ist in gewissen Beziehungen von der Herrschaft
einer anderen Gebietskörperschaft befreit, insbesondere in allen
Beziehungen, welche sein Gebiet, seine Verfassung und sein Ober-
haupt betreffen; der Kommunalverband ist in keiner Beziehung
von der Herrschaft einer anderen Gebietskörperschaft befreit.
Existenz, Entstehung, Untergang, Gebiet, Verfassung und
Oberhaupt eines Staates unterliegen den Regeln des Völkerrechts;
Existenz, Entstehung, Untergang, Gebiet, Verfassung und Öber-
haupt eines Kommunalverbandes unterliegen den Regeln des
positiven Staats- und Verwaltungsrechts.
XI.
Versuchen wir nunmehr auf Grund dieses Resultats die alte
Streitfrage über die juristische Natur des Reichs und seiner
Glieder zu lösen, so ergibt sich ohne Weiteres, dass das Reich
und die Gliedstaaten in gleicher Weise Staaten sind. Die Staaten
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