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die Augen schliesst, sondern, da durch den Schiedsspruch das
Thronfolgerecht des Grafen Ernst zur Lippe-Biesterfeld aner-
kannt worden ist, erst in dem Augenblicke, in welchem weder
ein zweifellos berechtigter Fürst, noch ein zweifellos berechtigter
Thronfolger vorhanden sein wird. Dabei ändert es für diese
Frage nichts, ob Graf Ernst den Fürsten Alexander überlebt
oder umgekehrt.
Bestritten und zweifelhaft ist zunächst die T’hronfolgefähig-
keit der Söhne des Grafen Ernst. Daraus ergiebt sich, dass das
Vorhandensein einer Thronstreitigkeit im Rechtssinne an dem
Leben des Fürsten Alexander und des Grafen Ernst hängt. Erst
in dem Augenblicke, in welchem der Ueberlebende von Beiden
die Augen schliesst, kann überhaupt ein Thronstreit im Rechts-
sinne eintreten.
Dass er dann eintritt, ist nicht einmal gewiss, da doch mit
der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass der Graf Ernst
seine sämmtlichen Söhne überlebt.
Schon diese letztere Betrachtung allein stellt es für mich
ausser allem Zweifel, dass ein Thronstreit im Rechtssinne zur
Zeit nicht vorliegt oder — ich weiss keinen besseren Ausdruck
zu finden —, dass actio non jam nata est.
Das ist für das Land gewiss ein Unglück, die Ungewissheit
fortdauern zu sehen, aber das kann die Entscheidung über eine
Juristische Frage nicht beeinflussen.
Zu einer entgegengesetzten Ansicht könnte man nur ge-
langen durch Uebertragung der Sätze von der Feststellungsklage
— gemäss 8 231 C.-P.-O. — oder, um auf das römische Recht
zurückzugehen, von den Provokationen ex lege diffamari und ex
lege si contendat auf das Gebiet des Staatsrechts. Eine solche
Uebertragung scheint mir unzulässig zu sein.
Dagegen steht nicht das Geringste im Wege, dass der
Bundesrath sich schon, ehe eine Thronstreitigkeit im Rechtssinne
vorliegt, darüber schlüssig mache, ob er sich für zuständig hält,