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Es erhebt sich nunmehr die Frage, wie vertragen sich nun
diese beiden Grundsätze der Einheit und der Gleichheit? Ist
der schwedisch-norwegische unorganisirte Staatenstaat alskoordinirt
oder als subordinirt zusammengesetzter Staat zu denken? A priori
wäre allerdings das Erste als das Folgerichtigste zu erwarten. Dem
ist aber thatsächlich nicht so, denn das Koordinationsprinzip ist
geradewegs durch eine Art deductio in absurdum als absolutes
Gleichheitsprinzip aufgefasst und darum mit dem ersten Grund-
prinzip der Union unvereinbar geworden. In Folge dessen ist
auch jeder Versuch, dem Staatenstaate eine selbständige Organi-
sation als Hauptstaat der Staatenverbindung zu geben, gescheitert,
und die Union ist nothgedrungen mit einem dritten Prinzip, dem
Subordinationsgrundsatz, bereichert. Der Grund ist historischer
und thatsächlicher, keineswegs juristischer Natur.
Es steht nämlich unzweifelhaft fest, dass die leitenden Per-
sönlichkeiten Norwegens neben dem schwedischen Adel und dem
behaupteten schwedischen Kriegschauvinismus nichts mehr fürch-
teten als die 1814 sog. schwedischen „Amalgamirungspläne“.
Norwegen war damals eben noch eine so junge Nation und deren
Staatsorganisation noch in dem Grade unsicher, dass es energisch
jede gemeinsame Organisation und somit auch jede selbständige
Organisation des Staatenstaats als einen ersten Schritt zur
„Amalgamirung“ ablehnen zu müssen glaubte. Als indess die
Vereinigung mit Schweden nicht zu umgehen war, wollte man in
Norwegen lieber eine thatsächliche Subordination unter der
schwedischen Krone in Ansehung der nothwendig gemeinsamen,
d. h. der auswärtigen und internationalen Angelegenheiten. Wenn
in „allen gemeinsamen Rechten der Völker“ eine durchaus „voll-
kommene Gleichheit“ herrschen sollte, und wenn die Norweger
diese Gleichheit immer als eine Gleichheit zweier souveräner
Staaten betrachteten, die neben- oder gegeneinander standen,
nicht aber in gleicher Weise sich einer höheren Einheit unter-
ordneten, so folgte ja daraus mit Nothwendigkeit, dass entweder
Archiv für öffentliches Recht. XIV. 3. 95