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VI.
In der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik im
Jahre 1897 wurde bei der Behandlung des Themas des länd-
lichen Personalkredits mit Recht von allen Seiten der Vortheil
des organisirten Kredits hervorgehoben. Von keiner Seite aber
wurde die gesetzliche Regelung gefordert, allgemein hatte man
wohl das Gefühl, dass es nur gelte, die sich der Organisation
entgegenstellenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.
Die Gründung der preussischen Uentralgenossenschaftskasse
ist als ein Versuch zu betrachten, den genossenschaftlichen Kredit
im Grossen zu organisiren, wenn auch diese Absicht bei der
Gründung der Anstalt erst in zweiter oder dritter Reihe kommt,
die Hauptaufgabe der preussischen Üentralgenossenschaftskasse
vielmehr ın der billigen Kreditbefriedigung und in der Aus-
breitung des Genossenschaftswesens zu sehen ist, auf das sie
„fördernd“ einwirken sollte.
Die Erfahrungen sprechen wohl nicht dafür, dass es ge-
lungen ist, die Hauptaufgabe in allgemein zufriedenstellender
Weise zu lösen. Ebenso ist auch der Versuch der Organisation
des Kredits der Genossenschaften nicht geglückt. Nicht viele
wirthschaftliche Materien gibt es, die gesetzgeberisch so schwer
zu erfassen sind, wie die Kreditfrage.
Der Kredit stellt die Ergänzung des Kapitals dar, mit Hilfe
des Kredits wird fremdes Kapital zur Durchführung grosser
Unternehmungen herangezogen, der Kredit führt das Kapital
dorthin, wo es produktiv verwerthet werden kann. Gesunde
Kreditverhältnisse bilden das Fundament für die solide Entwick-
lung des wirthschaftlichen Lebens. Um so vorsichtiger aber muss
auch auf diesem Gebiete die Gesetzgebung operiren. Es lässt
sich ein Schutz des wirthschaftlich Schwachen denken gegen die
Ausbeutung seiner Nothlage Seitens beutegieriger Geldmänner
durch Wuchergesetze — viel wird freilich damit nicht erreicht,