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Sorgfalt durchgesehen. Als Beispiel verweise ich (S. XXVI) auf die Sätze
über die Gehöferschaften im Trierschen, die, trotzdem LAMPRECHT, dessen
Arbeiten mit Recht von Cuxow viel citirt und sehr gerühmt werden, un-
widerleglich ihre spätere Entstehung dargelegt hat, wiederum als Ueber-
bleibsel altgermanischer Agrarverfassung angesprochen werden. Wie es end-
lich mit der Benutzung der ÖOriginalquellen bestellt ist, dafür ist eine
Bemerkung (S. XXV) charakteristisch. Tacitus gibt bekanntlich in der
Germapia eine anschauliche Schilderung von dem Leben der chattischen Ge-
folgsmannen, die sich durch einen Eisenring dem Kriegsgott angelobten.
Diese Bemerkung des antiken Autors bezieht Cunow ohne Umschweife auf
das ganze Volk, das seiner Meinung nach den Ackerbau wieder ganz auf-
gegeben hatte und „den schwächeren westlichen Nachbarn lieber das, was
es brauchte, im Kampfe abnahm“. Nach diesen Proben wird jeder Un-
befangene zugeben, dass die Verlagsbuchhandlung, die hinsichtlich der Aus-
stattung und des Preises ein Uebriges gethan hat, dem Herausgeber besser
nicht den ehrenvollen Auftrag ertheilt hätte, den verdienstlichen Neudruck
mit einem so ausführlichen Einleitungswort zu versehen.
Erich Liesegang.
Dr. jur. et phil. M,. Liepmann, Die Rechtsphilosophie des Jean
Jacques Rousseau. Ein Beitrag zur Geschichte der Staatstheorien.
Berlin, J. Guttentag, 1898. 144 S. gr. 8. M. 3.50.
Den praktischen Juristen pflegt im Allgemeinen weder Rousseau noch
die Rechtsphilosophie besonders zu interessiren. Die Beschäftigung mit der
Rechtsphilosophie ist ihm eine veraltete und unfruchtbare Thätigkeit, und
Rousseau ein Apostel des Umsturzes. Diese Ansichten will Liepmann wider-
legen. Er will nachweisen, dass die Rechtsphilosophie oder das Naturrecht
für den wissenschaftlichen Betrieb des Rechtsstudiums auch heute noch von
Werth ist, und dass die traditionelle Auffassung der Gedanken Rousseau’s
falsch ist,
Liepmann führt uns daher zunächst in den Gedankenkreis des alten
Naturrechts ein, indem er uns dessen Hauptvertreter Bodin, Althusius, Gro-
tius, Hobbes, Spinoza, Pufendorf, Sidney, Locke, Montesquieu vorführt. Er
sucht den Kern ihrer Lehren zu gewinnen und die Entwicklung derselben
zu zeigen, die gewissermassen nothwendig zu Rousseau führt. Rousseau
„hat die traditionelle Hülle der Vertragstheorie mit wesentlich neuem In-
halt ausgefüllt“. Er zuerst trennt die Frage, ob die Staatsgewalt rechtmässig
ausgeübt wird, von der nach ihrer Entstehung und genetischen Entwicklung.
Diese Entwicklung vollzieht sich für Rousseau dadurch, dass der Naturmensch
allmählich zum Gefühl der Persönlichkeit und zum Begriff des Eigenthums
kommt. Aus der so entstehenden Ungleichheit aber folgt die Nothwendig-
keit einer Rechtsordnung, die durch den Gesellschaftsvertrag hergestellt
Archiv für öffentliches Recht. XIV. 8. 098