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Landesgesetze zu entwerfen und zu vollziehen haben, ganz ausser-
gewöhnliche Anforderungen. Unter so bedrängten Umständen
muss man ihnen einige Schonzeit angedeihen lassen und sich des
Treibens bei allen Aenderungen des bestehenden Rechts ent-
halten, die nicht durch einen Nothstand unbedingt gefordert
werden. Est modus in rebus. Auch die Assimilationsmöglich-
keit hat ihre Grenzen. Und dem Gesetzgeber selbst würde etwas
Ruhe nicht schaden. Er würde — meint die „Münchener All-
gemeine Zeitung“ nicht ganz unrichtig — nach einigen Jahren
Pause um so besser arbeiten.
Gewiss ist der Bergbau der wichtigste und grösste Industrie-
zweig im Deutschen Reiche; aber er ist doch eben nur ein Zweig.
Die bei einem deutschen Berggesetze interessirten Personen
bilden doch nur einen ganz geringen Theil aller Angehörigen des
Deutschen Reichs. Es handelt sich nur um ein Spezialgebiet,
während die meisten der als dringlicher und wichtiger bezeich-
neten Aufgaben alle Bürger betreffen und wegen dieses viel all-
gemeineren Interesses das Vorzugsrecht geniessen müssen ®%,
Hierzu kommt als entscheidendes Moment der Umstand,
dass der gegenwärtige Zustand des deutschen Bergrechts trotz
aller im I. Theile geschilderten Uebelstände zur Zeit wirklich
noch so erträglich ist, dass diese Arbeit ganz gut einen Aufschub
von mehreren Jahren verträgt, was bei vielen anderen Materien
nicht der Fall ist. Dieser Erkenntniss gegenüber darf sich das
68 Es handelt sich bei diesen allgemeineren Materien, deren Ver-
abschiedung hier als wichtiger und dringlicher bezeichnet wird, übrigens
nicht blos um Reichs-, sondern auch um Landes(Ausführungs-)Gesetze und
bei ersteren um die Inanspruchnahme nicht nur der Reichsbehörden, sondern
auch derjenigen Landesbehörden, die bei der Vorbereitung der Reichtags-
vorlagen um Begutachtung angegangen werden müssen. Dass aber die Reichs-
justizverwaltung zur Zeit mehr zu thun hat, geht aus der neuesten Aus-
lassung des Staatssekretärs des Reichsjustizamtes in der Reichstagssitzung
vom 18. Jan. 1899 zur Genüge hervor. (Vgl. Stenogr. Ber. über die Ver-
handlungen des Reichstags 10. Legislaturper. I. Sess. 1898/99 S. 271.)