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nach der Vorlage eines jeden einzelnen Gesamtbeschlusses oder
spätestens bei dem Schlusse der Versammlung im Landtags-
abschiede zu erteilen oder zu verweigern; dasselbe hat hinsicht-
lich der Bescheidung der von den Kammern gestellten Anträge
zu geschehen.
In diesen Staaten vermag eine nach Ablauf der der Krone
gesetzten Erklärungsfrist erteilte Sanktion den von der Volks-
vertretung angenommenen Gesetzentwurf nicht mehr zu einem
rechtswirksamen staatlichen Gesetzgebungswillen zu erheben.
Gleiches ist anzunehmen, wo die Verfassung den Erlass von
Landtagsabschieden bis zum Schlusse oder alsbald nach Schluss
des Landtags vorschreibt, d. h. ausser in Bayern in folgenden
Staaten:
Grossherzogtum Hessen, Verf.-Urk. von 1820, Art. 101,
Königreich Sachsen, Verf.-Urk. von 1831, $ 119$,
Braunschweig, n. L.-O. von 1832, & 148,
Oldenburg, rev. St.-Gr.-G. von 1852, Art. 163,
Reuss j. L., Verf.-Urk. von 1852, 8 96,
Waldeck, Verf.-Urk. von 1852, & 53.
In den übrigen deutschen Verfassungen, insbesondere in der
Reichsverfassung und der preussischen Verfassungsurkunde, fehlen
entsprechende Vorschriften des geschriebenen Rechts. Vielfach
wird jedoch behauptet, sie seien durch gewohnheitsrechtliche
Bildungen ersetzt.
RÖöNNE’, SCHULZE® und LABAND® behaupten z. B., der ge-
samte Gesetzgebungsakt von der Einbringung des Entwurfs bis
zur Verkündigung der ausgefertigten Gesetzesurkunde müsse nach
einer allgemeinen Uebung, die sich zu einem wirklichen konsti-
tutionellen Gewohnheitsrecht gestaltet habe, beendet sein, bevor
* In Sachsen soll übrigens der Entschluss des Königs „womöglich noch
während der Ständeversammlung“ ergehen (ebenda $ 113).
?’ Preussisches Staatsrecht Bd. I S. 392.
®A.2.0.8. 120. ® A. a. O0. S. 565.