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schwebenden Geschäfte der Volksvertretung, nicht auf die schon
erledigten!*, denn diese können — eben weil sie erledigt sind —
nicht mehr fortgesetzt werden. Dies erhellt klar, was Preussen
anlangt, aus $ 74 der Geschäfts-O. für das Haus der Abgeord-
neten, welcher in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit 8 80 der
Geschäfts-O. für das Herrenhaus, wie folgt, lautet:
„Gesetzesvorlagen, Anträge und Petitionen sind mit dem
Ablaufe der Sitzungsperiode, in welcher sie eingebracht und
noch nicht zur Beschlussnahme gediehen sind, für erledigt
zu erachten.“
Weiter aber bezieht sich das Prinzip der Diskontinuität der
Sessionen nur auf die geschäftliche Behandlung in der Volks-
vertretung selbst, nicht auch ohne weiteres auf das Verhältnis der
Volksvertretung zum Monarchen '5; ihn berühren ja auch direkt nur
die vom Parlament erledigten Vorlagen. Nach alledem kann aus
dem Prinzip der Diskontinuität der Sitzungsperioden der Volks-
vertretung nichts für die Frage gefolgert werden, bis wann der
Monarch sich über die von der Volksvertretung angenommene
— also für sie erledigte — Gesetzesvorlage zustimmend zu
äussern hat, um einen rechtswirksamen staatlichen Gesetzgebungs-
willen zustande zu bringen.
In zweiter Linie ist behauptet worden, die Volksvertretung
sei in jeder Session oder zum mindesten nach jeder Neuwahl eine
andere; daraus folge, dass Beschlüsse der vorigen Session bezw.
der vorigen Legislaturperiode das Parlament nach erneutem Zu-
sammentritt nichts mehr angingen; eine nachdem noch ergehende
Sanktion bezw. Verkündigung von Gesetzen, die in der früheren
Zusammensetzung angenommen worden seien, sei darum unstatt-
haft, mindere die Rechte der Volksvertretung, sei jedenfalls ihr
gegenüber rücksichtslos. Auch aus dieser Deduktion lässt sich
für die Beantwortung unserer Frage nichts gewinnen. Ein Ver-
14 JELLINEK a. a. O. 8. 830f.
15 MEYER 8. a. O. S. 496 Note 15.