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bildet die Betrachtung, dass die Zeit, in welcher man sich um Freiheits-
und Grundrechte stritt, vorüber ist, und dass gegenwärtig die Frage, durch
welche Mittel die Verwaltung den Rechtsvorschriften am wirksamsten unter-
worfen werden könne, das Interesse der Staatsmänner und Juristen in her-
vorragendem Maasse errege. ‘Der Verf. ist ein Anhänger der organischen
Staatslehre und legt diese Theorie dar auf Grundlage der AnHkEns’schen
Ausfübrungen. Das Grundprinzip, welches den staatlichen Organismus be-
herrscht, ist die Verfassung des Staates, welche in der Gesammtheit der
Gesetze ihren Ausdruck finde. Unter Verwaltung versteht der Verf. die
gesammte Thätigkeit des Staates; er unterscheidet aber zwei Richtungen
innerhalb derselben; die eine geht auf die Befriedigung sozialer Bedürfnisse,
auf die Förderung des Gemeinwohls, die andere auf die Erhaltung und den
Ausbau des Staates, seiner Organe und Machtmittel selbst, und er zeigt, wie
die letztere das Uebergewicht erlangen und jene zurückdrängen kann. Er
unterscheidet ferner die durch politische Motive beherrschte, von wechseln-
den Zeitverhältnissen abhängige Staatsthätigkeit von der durch feste und
gleichmässige Rechtssätze geregelten, auf die Erhaltung der Staatseinrich-
tungen gerichteten, die man in der deutschen Litteratur als Regierung und
Verwaltung einander gegenübergestellt hat, und er schildert in ansprechen-
der Weise ihr gegenseitiges Verhältniss. Den Hauptgegenstand der Unter-
suchung bildet aber das Verhältniss der Verwaltung zur Rechtsordnung, der
Staatsgewalt zu der Freiheit und Selbstbestimmung der Individuen; er führt
dabei aus, dass feste Garantien für die Beobachtung dieser Grenzen nicht
bloss im Interesse der Unterthanen liegen, sondern dass die Verwaltung
selbst nur Kraft und Sicherheit habe, wenn sie in Gesetzen einen festen
Stützpunkt finde. Der Verf. lehnt sich bei diesen Ausführungen eng an
LorR. von StTEIM an. Er stellt demgemäss die Forderung auf, dass im Staate
Einrichtungen bestehen, um die Beobachtung der Gesetze Seitens der Ver-
waltungsbehörden im einzelnen Falle zu sichern und um dem Individuum
Mittel zu gewähren, sich gegen Vebergriffe der Verwaltung zu wehren. Man
erwartet demnach, dass der Verf. auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit und
deren Abgrenzung gegen das Gebiet freier, durch politische Tendenzen und
Nützlichkeitserwägungen geleiteter Regierungsthätigkeit hinaus will; statt
dessen macht der Verf. am Schluss seiner Schrift einen Seitensprung und
giebt eine Vergleichung französischer Centralisation, preussischer Decentrali-
sation und englisch-amerikanischer Selbstverwaltung, welche dem deutschen
Leser nichts Neues bietet. Ueberhaupt liegt der Werth der Schrift mehr in
der Form der Darstellung ale in der Neuheit ihres Gedankeninhalts; für die
jaristische Kontruktion staatsrechtlicher Verhältnisse ist sie meines Erachtens
nicht von Bedeutung. Laband.