Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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Individuen ihre Persönlichkeit vollkommen der Sicherheit und dem Gedeihen 
des Staats aufopfern müssen, und da der Staat seine Zwecke und die Mittel 
zu ihrer Erreichung selbst bestimmt, so führt die organische Staatslehre zu 
einer Leugnung jedes Rechts des Individuums, und damit seiner Persönlich- 
keit und des objektiven Rechts überhaupt, also zum sozialen Staatsabsolutis- 
mus (S. 91). Sehr geistreich bemerkt der Verf. (S. 98), dass, sowie die 
historische Rechtsschule mit ihrer Redensart vom „Wachsen“ des Rechts 
dazu angelangt war, den Begriff des Rechts dem der Vegetation unter- 
zuordnen, die organische Staatslehre den Staat dem Thierreiche zuweist und 
aus dem Staatsrecht einen zoologischen Traktet macht. Das Urtheil über 
die organische Staatstheorie, zu welchem der Verf. gelangt, gipfelt in dem 
Satze (S. 79), dass sie bisher Nichts gebracht hat als bildliche Vergleiche, 
tönende Worte, apodiktische Behauptungen, aber keinen festen Begriff, keine 
wissenschaftliche Klarstellung. 
Während die beiden ersten Kapitel vorwiegend kritisch und ablehnend 
sind, also zu negativen Resultaten gelangen, beschäftigt sich das dritte 
Kapitel (S. 95—176) mit der positiven Darlegung der juristischen Staats- 
theorie d. h. der Theorie von der Persönlichkeit des Staats. Der Verf. 
beginnt mit einer interessanten Schilderung des Aufkommens dieser An- 
schauung und ihrer allmäligen Berichtigung. Er giebt dann eine sehr gute 
Entwicklung des juristischen Begriffs der Person als Rechtssubjekt, d. h. als 
die vom objektiven Rechte anerkannte Fähigkeit, Träger von Rechten und 
Pflichten zu sein, einer Fähigkeit, die niemals von der Natur gegeben, 
sondern immer nur in der Rechtsordnung begründet sein kann, und er zeigt 
namentlich, dass die Vorstellung des Staats als Rechtssubjekt allein im 
Stande ist, an die Stelle einer schrankenlosen und willkürlichen Herrschaft 
eine rechtlich beschränkte, mit gesetzlich festgestellten Rechten ausgestattete 
Staatsgewalt und ihr gegenüber eine gesetzlich anerkannte und geschützte 
Rechtssphäre der Individuen zu konstruiren. Er wendet sich mit über- 
zeugender Beweisführung gegen die Einwendungen, dass die juristischen 
Personen blosse Abstraktionen, Fiktionen, Nothbehelfe der juristischen Kon- 
struktion seien und namentlich auch gegen die haltlose Behauptung, dass 
der Begriff der juristischen Person auf die Sphäre des Privatrechts be- 
schränkt und vom Staat nur für Zwecke des privatrechtlichen Verkehrs ge- 
schaffen sei. Die Erörterung des Begriffs „Rechtssubjekts* führt den Verf. 
(S. 108ff.) zu einer Untersuchung des Begriffs „subjektives Recht“, durch 
welche die Bedeutung, welche der Wille und das geschützte Interesse für 
diesen Begriff haben, klar gestellt wird. Wenn GiwrkE den Begriff der 
juristischen Person damit angreift, dass er sagt, auf die Frage, wer kann 
Rechte und Pflichten haben, laute die Antwort „eine Person“ ; auf die weitere 
Frage, was ist eine Person, erhalte man die Antwort, ein Etwas, welches 
Rechte und Pflichten haben kann, und daran höhnische Bemerkungen über 
die Inhaltlosigkeit dieser Begriflsbestimmung knüpft, so zeigt der Verf. (S. 126),
	        
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