Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

— bi — 
schlichte, wahrhaft getreue Erzählung von dem inneren Staatsleben des eng- 
lischen Volkes, wird an dieser Aufgabe verzweifeln müssen.“ Die hier an- 
gedeutete gefährliche Klippe hat BerroLinı mit sicherem Blick zu vermeiden 
gewusst. Seine Darstellung ist ein Muster von Objektivität. Um diese zu 
wahren, hat er sogar der gewiss häufig genug an ihn herangetretenen Ver- 
suchung widerstanden, die geschilderten Verwaltungseinrichtungen mit denen 
seiner Heimath zu vergleichen und daraus kritische Schlüsse zu ziehen. Es 
wäre dies zweifellos für den Leser höchst interessant und lehrreich gewesen, 
'hätte aber den ganzen Charakter des Werkes verändert. BERTOLINI wollte 
in demselben eine rein wissenschaftliche Darlegung, nicht eine politische Partei- 
und Tendenzschrift geben. Die Vergleiche und Schlüsse ergeben sich für 
den einsichtigen, mit den italienischen Einrichtungen, deren Vorzügen und 
Mängeln vertrauten Leser von selbst. 
Da die englische Verwaltung in ihrer heutigen komplizierten Gestalt 
nur aus ihrem geschichtlichen Entwickelungsprozess heraus verstanden werden 
kann, so erschien dem Verf. eine streng historische Methode der Dar- 
stellung als die für seinen Zweck am besten geeignete. In sechs Büchern 
schildert er uns die allmälige Entwickelung der Lokalverwaltung von den 
ältesten angelsächsischen Zeiten bis zur Gegenwart. Indem er dabei überall 
die verschiedenen sozialen und kulturellen Verhältnisse darlegt, welche ein 
Eingreifen der Verwaltungsthätigkeit nothwendig machten und zugleich Ziele 
und Mittel derselben bestimmten, wird das Werk nebenbei zu einer Art von 
Kulturgeschichte des englischen Volkes. Wir sehen, wie die Lokalverwaltung, 
ursprünglich wesentlich nur auf den Gebieten des Armen- und Wegewesens 
thätig, nach und nach immer weitere Kreise von Gemeinschaftsinteressen 
ergreift, sich auf das Gesundheits- und Unterrichtswesen, auf Gewerbe und 
Handel erstreckt und sich innerhalb der einzelnen Verwaltungszweige nach 
Massgabe einer bis in’s kleinste Detail gehenden centralen Gesetzgebung be- 
thätigt. Da diese englische Verwaltungsgesetzgebung gänzlich systemlos 
immer nur auf die Befriedigung der jeweils gerade zu Tage tretenden Be- 
dürfnisse gerichtet war, und für die verschiedenen neu an die Verwaltung 
herantretenden Aufgaben immer neue lokale Verbände, neue Abgaben und 
neue Behörden schuf, so entstand ein immer wirreres Chaos von Kompe- 
tenzen, Pflichten und Rechten, ein wahres Labyrinth von Verwaltungs- 
einrichtungen, in dem es oft selbst den zunächst Betheiligten kaum mehr 
möglich ist, sich zurecht zu finden. Die Art, wie der an die strenge 
systematische Klarheit und Uniformität der Institutionen seiner Heimath ge- 
wöhnte Autor diese äusserst komplizierten, fremdartigen Verhältnisse wissen- 
schaftlich erfasst und zur Darstellung gebracht hat, verdient hohe Anerkennung. 
Er beherrscht den gewaltigen Stoff vollständig und verliert in dem fast un- 
übersehbaren Gewirre der Einzelheiten nie die grossen leitenden Gesichts- 
punkte aus dem Auge. TUeberall ist seine Darstellung knapp, klar und 
präzis, gänzlich frei von der Weitschweifigkeit, Redseligkeit und Phrasen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.