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Arbeit Kıeen’s — eine erweiterte Ausführung des schwedischen Originals —
rechts- und literargeschichtlicher Natur ist, anerkennen wir bereitwilligst ihre
grossen Vorzüge und räumen ihr gerne führende Stellung ein unter den der
Frage bisher gewidmeten fachlichen Untersuchungen. Die dogmatischen
Ausführungen über Kontrebande dagegen, die Versuche einer sicheren Ab-
grenzung des erlaubten und des unerlaubten Sachgüterumsatzes in Kriegs-
zeiten halte ich fast ihrem ganzen Umfange nach für unannehmbar. Die
Schule ist hier eben bisher künstlich auf dem falschen Geleise erhalten
worden, auf das sie gerathen war, als die Regeln und Anschauungen über
Verkehr und Güterumlauf einer längst untergegangenen Völkerwirthschafts-
periode literarisch fixirt wurden. In den Kapiteln über „die Waarenzufuhr
an den Feind“ hört man förmlich das Waffengeklirr von Hellebarden und
ellenlangen Steinschlossflinten, und nichts lässt in den „modernen“ Bearbei-
tungen der Materie ahnen, dass ein einfaches Kabeltelegramm die Kornsilos
Argentiniens für Japan und die Japans für Indien öffnet. Wenn erst nach
H. Preuss’ Skizze über „das Völkerrecht im Dienste des Wirthschafts-
lebens“ ein der Bedeutung des Stoffes angemessenes Kolossalgemälde vor-
liegen wird — die Arbeit wird gemacht werden, ob von Preuss selbst oder
von einem Andern — dann wird auch die Lehre von der Kontrebande ganz
andere Züge zeigen. Ich fasse meine heterodoxe Ansicht über dies Thema
in zwei Sätze zusammen, deren principieller Gehalt meines Erachtens grössere
Berücksichtigung bei Behandlung der Lehre von der Kontrebande fordern
müsste:
1. Die Mittel der Kriegführung laufen Hand in Hand mit der Neu-
gestaltung des Wirthschaftslebens. Objekte, welche noch vor zehn
Jahren auch bei ängstlichster Prüfung nicht als Kontrebande angesehen
worden wären, sind heute zweifellos taugliche Mittel für den kriegerischen
Zweck: Luftballons, Telephon, Telegraph ohne Draht, Akkumulatoren u. s. w.
2. Jede weitgehende Privilegierung des neutralen Handels schwächt
das Gefühl der Interessengemeinschaft der Staatengesellschaft. Da, wo der
Kampf unausweichlich geworden ist, ist er heute fast niemals mehr ausschliess-
lich Sache der beiden kämpfenden Parteien, die die Noth des Krieges auf
ihre Schultern geladen haben. Das mit dem Schwerte zu lösende Problem
ist im strengen Wortsinne res communis omnium. Regelmässig liegt bei
den Krieg führenden Parteien eine Art negotiorum gestio vor, deren Kosten
auch die Anderen zu tragen verpflichtet sind.
Je mehr Schutzmittel wir den im Grunde persönlich betheiligten Zu-
schauern gewähren, um so schwerer wird die drückende’ Last den Krieg-
führenden selbst, um so geringer das Interesse der Neutralen, mit allen
Mitteln dem Ausbruche des Krieges vorzubeugen. Je grösser die Erschütte-
rung ist, die das gesammte Wirthschaftsleben der Menschheit durch den
Ausbruch eines Krieges erleidet, um so mehr steigert sich das Bewusstsein
der Solidarität des Interesses aller Völker am Frieden.