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Kreise der verbündeten Regierungen trotz der schon in jener
Form hinreichend enthaltenen Markierung der Verpflichtung des
Präsidiums den Zusatz „nach Massgabe der Beschlüsse des Bundes-
rates“ für nötig erachtete; schon diese beiden Punkte lassen es
nicht zweifelhaft, dass man die dem Präsidium in Art. 16 zuge-
wiesene Einbringung der Vorlagen an den Reichstag nicht als
dessen freies Recht, sondern als eine aus seiner Eigenschaft als
Bundesratspräsidium von selbst sich ergebende Pflicht betrachtet
wissen wollte®®.“ Dazu kommt, dass nur diese Auffassung einen
logischen Zusammenhang zwischen der ersten und zweiten Hälfte
des Artikels ermöglicht; denn die Bestimmung, dass nur Mit-
glieder oder Kommissare des Bundesrates die Vorlagen beim
Reichstag vertreten sollen, also nicht vom Kaiser dazu bestimmte
Beamte, hat Sinn nur unter der Voraussetzung, dass der Kaiser
materiell an der Einbringung der Vorlagen an den Reichstag
vollständig unbeteiligt ist ”®.
Im offenbaren Gegensatz zu der Grundanschauung, nach
welcher Art. 16 eine natürliche Pflicht des Bundesratspräsidiums
statuieren wollte, leitete die Praxis vom ersten Tage ab aus
diesem Artikel eine Zuständigkeit des Bundespräsidiums. Denn
nicht im Namen der im Bundesrate vereinigten verbündeten
Regierungen und als deren Vertreter brachte der Bundes-
kanzler die Bundesratsvorlagen an den Reichstag, sondern im
Namen des Bundespräsidiums und in dessen Auftrag; dies er-
giebt die bei der Einbringung solcher Vorlagen gebräuchliche
Formel:
„Im Namen des Präsidiums des norddeutschen Bundes be-
ehrt sich der Bundeskanzler, den Entwurf, wie solcher vom
Bundesrate beschlossen worden, .. .“
Diese der Absicht des Gesetzgebers nicht entsprechende An-
wendung der in Art. 16 gegebenen Bestimmung hat durch die Re-
35 Vgl. Haenkı, Stud. II S. 39.
2° Vgl. HıeneL a. a. 0.8.43.