Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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zu verschaffen; und nur unter solcher Voraussetzung könnte man 
sagen, der Kaiser handle bei der Ausfertigung und Verkündigung 
nicht aus eigenem Rechte. 
Eine wichtige Einschränkung erleidet aber der Satz, dass 
der Kaiser zur Vornahme der nach den Artt. 16 und 17 R.-V. 
rechtswirksam nur von ihm zu vollziehenden Handlungen ver- 
pflichtet ist, durch das allgemeine Prinzip, dass zu gesetzwidrigen 
Handlungen niemand seine Hand bieten darf, d. h.: zur Vorlage 
verfassungswidriger Beschlüsse des Bundesrates an den Reichstag 
und zur Ausfertigung und Verkündigung verfassungswidriger Ge- 
setzentwürfe ist der Kaiser nicht verpflichtet, ja nicht einmal be- 
rechtigt. Aber die Einschränkung reicht noch weiter. Da näm- 
lich der Kaiser in den Fällen der genannten Artikel aus eigenem 
Rechte handelt, so kommt die Entscheidung darüber, ob im kon- 
kreten Falle eine verfassungsmässige Pflicht zum Handeln für ihn 
besteht, dem Kaiser allein zu? Das allgemeine Prinzip, auf 
welchem dieser Satz beruht, ist nicht — wie v. RÖNNE behauptet 
— ein politisches, sondern rein juristisch und führt auch nicht 
zu dem Standpunkt v. MArTıTZ’; denn dieser spricht dem Kaiser 
das Recht zu, jedem Gesetz Ausfertigung und Verkündigung zu 
verweigern, während von uns ein solches Recht nur für den Fall 
der Verfassungswidrigkeit der gesetzgeberischen Willensbildung 
anerkannt wird und es als Verfassungsbruch charakterisiert wird, 
wenn der Kaiser ausser jenem gewiss seltenen Falle Ausfertigung 
32 Dieser Gedanke findet sich in der Beschränkung auf das Verhältnis 
des Bundeskanzlers zu den Bundesratsbeschlüssen bereits bei MEYER, 
Grundzüge des nordd. Bundesrechtes 1868, S. 87; hierin schloss sich ihm zu- 
nächst v. Rönne (Annalen 1871, S. 283f.) an. Alsdann hat v. Monr (Rstr. 
S. 292) jenes Prinzip, im Gegensatz zu der gesamten ihm voraufgehenden 
Litteratur, auf den Kaiser rücksichtlich seiner Pflichten aus den Artt. 16 und 
17 R.-V. angewandt; die späteren Schriftsteller haben sich ihm angeschlossen, 
ausgenommen v. RönneE, Rstr. I S. 231, II1 8.50 N. 2, v. SEeYpEı, Jahrb. £f. 
Gesetzgebung N. F. II S. 425, Kommentar S. 174 und Dyrorr, Annalen 1889, 
8. 930 N. 6.
	        
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