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und Verkündigung weigern sollte (vgl. KoLBow a. a. O. S. 77).
— Richtig ist allerdings — woran SEYDEL Anstoss nimmt —,
dass auch der Bundesrat in jedem Falle untersuchen muss, ob
die Voraussetzungen gegeben sind, in deren Ermangelung er nicht
vermöchte, den Bildungsprozess des Reichsgesetzgebungswillens
gehörig abzuschliessen, wie auch dem Reichstage hinsichtlich der
Bundesratsvorlagen ein entsprechendes Recht zusteht; aber es ist
in keiner Weise abzusehen, inwiefern durch ein solches Recht
des Bundesrates ein selbständiges Prüfungsrecht des Kaisers un-
möglich gemacht wird. Die Berufung SEYDEL’s auf die Unmittel-
barkeit, in welcher die deutschen Souveräne im Bundesrate ihren
Willen zum Ausdruck brächten, vermag schon unter dem Ge-
sichtspunkte nicht als genügend zu erscheinen, dass die Souveräne
der Einzelstaaten kein Mittel in der Hand haben, sich gegen die
Folgen eines instruktionswidrigen Stimmens ihrer Bevollmächtigten
zu schützen (FRICKER a. a. O. S. 23), mit anderen Worten, so
unmittelbar, wie SEYDEL glauben machen will, sind die deutschen
Soureräne im Bundesrate garnicht vertreten; aber selbst wenn
SEYDEL — was indes nicht zugegeben werden kann — darin
Recht hätte, dass der Bundesrat der Souverän des Reiches wäre,
so wäre damit die Befugnis des Kaisers, seine Mitwirkung an
verfassungswidrigen Handlungen selbst gegen den Befehl des
Souveräns zu verweigern, nicht ausgeschlossen; „nirgends bietet
die Reichsverfassung einen Anhalt, wonach der Kaiser bei der
Prüfung, ob die verfassungsmässigen Voraussetzungen für die Aus-
übung seiner Rechte oder Pflichten vorliegen oder nicht, an die
Entscheidung irgend einer Instanz gebunden ist, und selbst im
monarchischen Einheitsstaat giebt es Behörden, die ausschliesslich
dem Gesetze unterworfen sind* (HAENEL)°®.
88 WESTERKAMP (R.-V.S. 131) glaubt, das Recht der Gesetzesverkündi-
gung könne als ein lediglich formales Recht nicht ein Richteramt bezüglich
der Legalität der von Bundesrat und Reichstag gefassten Beschlüsse gewähren.
Indessen „auch formelle Funktionen dürfen nur vorgenommen werden, wenn