Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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sie auf die ursprünglich gar nicht vorgesehene selbständige Bundes- 
regierung anwendet. 
III. Nachdem bisher die Thätigkeit des Kaisers am Reichs- 
gesetzgebungsverfahren für sich allein erörtert worden ist, er- 
übrigt nunmehr noch, ein Bild von dem Reichsgesetzgebungs- 
verfahren als einem einheitlichen Ganzen zu entwerfen, da man 
erst bei diesem Hintergrunde einen richtigen Gesamteindruck von 
der Beteiligung des Kaisers an der Reichsgesetzgebung zu ge- 
winnen vermag. 
Zwei Momente sind in jedem (resetzgebungsverfahren wohl 
zu unterscheiden: die Bildung des staatlichen Gesetzgebungs- 
willens und die Erzeugung der Rechtsverbindlichkeit des zum 
Inhalte des Staatswillens erhobenen Rechtsgedankens. Das positive 
Staatsrecht vermag den Gang des Gesetzgebungsverfahrens be- 
züglich jedes dieser beiden Momente in der mannigfachsten Weise 
zu gestalten. Hier interessiert vor allem der Gang der Gesetz- 
gebung in der konstitutionellen Monarchie, weil die Verfassung 
des Deutschen Reiches, welches in der Hauptsache aus konsti- 
tutionellen Monarchien hervorgegangen ist und noch besteht, eine 
Reihe von Zügen aufweist, gerade auch bezüglich des Gesetz- 
gebungsverfahrens, welche an das konstitutionell-monarchische 
erinnern. 
Für den Begriff der konstitutionellen Monarchie ist es 
wesentlich, dass die Gesetzgebung sich vollzieht durch ein Zu- 
sammenwirken von Monarch und Volksvertretung, in der Weise, 
dass jedes dieser Organe in seiner gesetzgeberischen Thätigkeit 
dem anderen in voller Selbständigkeit gegenübersteht, mit anderen 
Worten: beide sind in dieser Hinsicht unmittelbare Staatsorgane. 
Hieran ändern nichts die Rechte der Krone, die Thätigkeit der 
Volksvertretung in Gang zu setzen und im Gange zu erhalten; 
denn in dieser Kompetenz ist zugleich die verfassungsmässige 
Pflicht zur Vornahme der betreffenden Handlungen unter gewissen, 
regelmässig wiederkehrenden Voraussetzungen enthalten. Die-
	        
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