— 138 —
der seit einem halben Jahrhundert von dem Gerichtshof getroffenen Ent-
scheidungen — die erste datirt vom 30. Okt. 1847, die letzte vom 13. Juni
1896 — rollt sich vor unserem Blick auf, und wir sehen, wie breit im wirk-
lichen Leben der Grenzstreifen ist, in dem sich der Kampf um die Unter-
werfung des Staates unter die Rechtsprechung seiner eigenen Organe ab-
spielt. Die 2400 Nummern umfassenden Präjudizien hat der Herausgeber
sehr instruktiv so gruppirt, dass zunächst aus ihnen die Zuständigkeit des
Gerichtshofes und die Befugniss der Behörden zur Erhebung des Kompetenz-
konflikts erkennbar werden. Zu ergänzen ist die hier zu gewinnende Ueber-
sicht über den preussischen Behördenapparat in Staats- und Selbstverwaltung
durch das von STÖLZEL mit dankenswerther Sorgfalt angelegte Verzeichniss
der Instanzen, deren Befugniss zur Erhebung des Kompetenzkonflikts an-
erkannt worden ist, und derer, denen diese Befugniss aberkannt wurde (General-
Landschaftsdirektion, Landesdirektor, Stolberg’sche Regierung in Wernige-
rode) und endlich der Behörden, deren Befugniss hierzu nicht ständig an-
oder aberkannt worden ist: Bischöfe, Direktion für Verwaltung der direkten
Steuern, Eisenbahnkommissariat, Evang. Oberkirchenrath und Konsistorien.
STÖLZEL fügt daran die Fälle, die eine Einsicht gewähren in die zeit-
liche Zulässigkeit des Kompetenzkopflikts, insbesondere mit Rücksicht auf
die Rechtskraft des gerichtlichen Urtheils und über das Verfahren, die For-
malitäten der Schriftsätze, über Anwaltszwang, Klageänderung, Rechtskraft
der Entscheidungen etc, des Gerichtshofs. — Im zweiten Theil sind die Judi-
kate so angeordnet, dass sie die leitenden Gesichtspunkte des Gerichtshofs
erkennen lassen in Ansehung des preussischen Beamtenrechts, der Hoheits-
rechte des Staats in militärischer, politischer und gesetzgeberischer Be-
ziehung. Besonders interessant sind hier namentlich die Entscheidungen
über Ansprüche gegen den Staat als Rechtsnachfolger der früheren Regierung
eines erworbenen Gebietstheils und die auf Staatensuccession, völkerrecht-
‚liche Okkupation, Aenderung der Gesetzgebung etc. sich beziehenden grund-
sätzlichen Entscheidungen. Findet hier die juristische Dogmatik aller Staats-
rechtsdisziplinen überaus werthvolles Material, so geben auch der täglichen
Rechtspraxis Aufschluss die vom Herausgeber sachkundig gruppirten Rechts-
sprüche über Abgabenwesen, Aufsichtsrecht des Staats, über Öffentlich-
rechtliche Körperschaften, über Polizei und innere Verwaltung.
Alle Zweige des deutschen Öffentlichen Rechts sind dem Herausgeber
Dank und Anerkennung schuldig für die vorliegende wirklich übersichtliche
Sammlung eines ganz eigenartigen und wichtigen Judikatenstoffes, der die
Rechtsentwicklung Preussens in fünf Jahrzehnten des verfassungsrechtlichen
Aufbaus seiner Gewalten klar erkennen lässt.
Stoerk.